Heimkehr der Islamisten

■ Tadschikistans Präsident schafft in seinem Kabinett Platz für die religiöse Opposition

Berlin (taz) – Tadschikistan steht da, wo es 1992 schon einmal war: Die Islamisten gehören wieder zur Regierung und die Opposition stellt ein Drittel der Minister. Vor fünfeinhalb Jahren allerdings hielt diese Koalition nur ganze sechs Monate. Ihre Absetzung unter dem Druck prokommunistischer Milizen löste einen Bürgerkrieg aus. Er dauerte fünf Jahre, kostete über 50.000 Menschen das Leben und machte 600.000 zu Flüchtlingen.

Gestern schaffte Präsident Emomali Rahmonow in seinem Kabinett Raum für die islamistische Opposition. Der stellvertretende Ministerpräsident Juri Ponusow mußte dafür sein Amt räumen. Seinen Platz wird wohl Hadschi Akbar Turadschonzode einnehmen. Der Islamist und zweite Mann der Vereinigten Tadschikischen Opposition (OTO) war in der vergangenen Woche zum Vizeregierungschef bestimmt worden – bloß das Amt war noch nicht frei.

Ende letzter Woche übertrug Rahmonow der OTO fünf Ministerämter und erfüllte damit eine der zentralen Bestimmungen des Moskauer Friedensabkommens vom Juni 1997, das den Krieg beendet hatte. Um Rahmonow allerdings zum Handeln zu zwingen, hatte OTO-Chef Abdullo Nuri im Januar eine Woche lang die Nationale Versöhnungskommission boykottieren müssen.

Nuris Partei der Islamischen Wiedergeburt (PIW), die stärkste Einzelkraft in der OTO, erhielt bei der Neuverteilung neben dem Amt des Vizepremiers ein weiteres Schlüsselressort: Das Amt des Ministers für Wirtschaft- und Außenhandel fiel an Daulat Usmon, den Chefideologen der PIW. Das Gewicht der Partei war noch gestiegen, nachdem die Regierung in den vergangenen Jahren mit Angeboten an einzelne Führungsmitglieder zwei andere OTO-Parteien spalten konnte: die eher prowestlich orientierte Demokratische Partei und die Volksfront Rastokhez (Wiederauferstehung).

Das tadschikische Kabinett kann bald wieder über Ressourcen verfügen. Eine Konferenz von 60 Geberländern und 30 internationalen Organisationen, die im November unter UN-Schirmherrschaft in Wien stattfand, brachte Zusagen über 56,5 Millionen US- Dollar zusammen. Damit sollen unter anderem Neuwahlen und die Demobilisierung von Kämpfern beider Seiten finanziert werden.

Doch eine beständige Gefahr für den Frieden in Tadschikistan stellen vor allem Warlords beider Seiten dar. Von der jetzigen Machtteilung ausgeschlossen, sitzen sie in den Bergen und lassen sich von keiner politischen Führung beeinflussen. Und auch die Islamisten haben sich unter dem Druck ihrer Geldgeber aus den Golfstaaten und islamistischen Kreisen Pakistans radikalisiert. Turadschonzode, der 1992 als gemäßigt und Gegner eines islamischen Staates galt, räumte jüngst in einem Interview sogar Verbindungen zu den afghanischen Taliban ein. Thomas Ruttig