■ Mexiko weist ausländische Menschenrechtler aus Chiapas aus
: Ein vergessener Krieg

In einem Punkt hat die mexikanische Außenministerin Rosario Green vermutlich recht: Sonderlich xenophob war Mexiko nie. Sein Rassismusproblem hat Mexiko mit den indigenen Fremden im eigenen Lande, nicht aber mit zugereisten Blondschöpfen aus aller Welt. So führt der Xenophobie-Vorwurf, mit dem Opposition und NGOs die Ausweisungen geißeln, am Kern der Misere vorbei. Die ausländischen MenschenrechtlerInnen wurden aus Chiapas nicht aus rassistischen Ressentiments ausgewiesen, sondern weil sie unbequeme Zeugen sind. Sie können berichten, wie brutal die sozialen Verhältnisse in Chiapas geworden sind und wie – bestenfalls – phantasielos die Regierung die katastrophale Lage eskalieren läßt.

Den Image-Verfall, den diese Ausweisung international unweigerlich nach sich zieht, nimmt die Regierung offenbar in Kauf. Im Lande selbst funktioniert die Strategie dagegen hervorragend. Die Ausweisung hat die alte Manipulationsthese wiederbelebt, derzufolge die Indios in Chiapas von auswärts aufgehetzt worden seien. Diese Behauptung war in den letzten Jahren kaum von einem ernstzunehmender Politiker öffentlich zu hören. Heute gehört sie wieder zum guten Ton. Fatal ist auch der Ablenkungseffekt: Die internationale Empörung über die Ausweisung läßt die eigentlichen Protagonisten in Vergessenheit geraten – die indigenen Gruppen, die nach Razzien nicht im Flugzeug, sondern im Gefängnis landen. Seit Monaten versuchen sie aus der lähmenden Defensive zu kommen. Mit der Ausrufung „autonomer Gemeinden“, die zuweilen eher symbolischer denn praktischer Natur sind, versuchen sie die Öffentlichkeit an sich zu erinnern. Denn eine politische Lösung oder wenigstens Zivilisierung des 52 Monate schwelenden Kriegszustandes ist heute ferner denn je.

So signalisiert diese Ausweisung womöglich, was den Zapatisten bevorsteht. Bislang war das mexikanische Krisenmanagement ein unentschiedener Schlingerkurs zwischen Konfrontation und Umarmung. Das kann sich nun ändern. Der politische Preis einer militärischen Großoffensive gegen die Guerilla ist auch heute kaum bezahlbar – vorstellbar sind hingegen punktuelle Attacken gegen die sozialen Bastionen des Zapatismus, um so die zapatistischen Truppen zu einer Kamikaze-Aktion zu treiben. Formaljuristisch ließe sich die Räumung der gut 30 „illegalen“ De-facto-Autonomien in der Region mühelos begründen – und über den primitiv-nationalistischen Reflex gegen die „ausländischen Comandantes“ jetzt auch politisch legitimieren. Bleibt zu hoffen, daß es Mexikanern und Nichtmexikanern gelingen möge, auch dafür den Preis in die Höhe zu treiben. Anne Huffschmid