Kampf ist gut, Regieren ist besser

Auf dem Sinn-Féin-Sonderparteitag war gestern eine überwältigende Mehrheit für die Annahme des Nordirland-Friedensabkommens. Aber die IRA ist gespalten  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Es war ein kluger Schachzug: Die britische Regierung ließ gestern acht IRA-Leute für 24 Stunden frei, damit sie am Sonderparteitag von Sinn Féin in Dublin teilnehmen konnten. Die Freigelassenen, darunter vier, die seit 23 Jahren wegen einer Londoner Bombenkampagne im Gefängnis sitzen, wurden auf dem Parteitag mit stehenden Ovationen begrüßt.

Der politische Flügel der IRA in beiden Teilen Irlands mußte entscheiden, ob man den Anhängern empfehlen soll, bei der Volksabstimmung für das Belfaster Karfreitagsabkommen zu votieren, das Frieden bringen soll. Außerdem stand die Änderung der Parteistatuten auf der Tagesordnung, damit gewählte Sinn-Féin-Vertreter ihre Sitze im geplanten nordirischen Regionalparlament einnehmen und bei der Allparteienregierung mitmachen dürfen.

Eine überwältigende Mehrheit entschied, die Annahme des Abkommens zu empfehlen, und Änderung der Statuten. Der erste Punkt wurde nicht einmal formal abgestimmt. Eine fast einhellige Willenskundgebung genügte. Für die Statuten-Änderung sprachen sich 331 von 350 Delegierten aus.

Das hohe Maß, nicht die Tatsache der Zustimmung war überraschend. Zuvor hatte der Parteivorstand bereits so votiert, und die IRA hatte ihre Statuten auf einer Armeekonvention vor acht Tagen entsprechend geändert. Sinn-Féin- Präsident Gerry Adams hatte bereits am Morgen von einem „historischen Tag“ gesprochen. Der Begriff ist in diesem Fall durchaus angebracht: Sinn Féin und IRA haben zum ersten Mal die Teilung Irlands anerkannt und akzeptiert, daß sie nur mit Zustimmung der Unionisten aufgehoben werden kann. Darüber hinaus wird Sinn Féin – falls die Bevölkerung in beiden Teilen Irlands das Abkommen in den Referenda am 22. Mai erwartungsgemäß absegnet – nach den Wahlen Ende Juni einen Teilstaat mitregieren, dessen Existenz sie bisher bekämpft hatte.

Für viele IRA-Mitglieder ist das mehr, als sie ertragen können. Vorige Woche meldete sich eine Absplitterung zu Wort, die sich als „Wahre IRA“ bezeichnet. Der Waffenstillstand vom vorigen Juli sei vorbei, erklärte die Organisation. In der Vergangenheit haben solche Spaltungen meist zu blutigen internen Auseinandersetzungen geführt. Nach Erkenntnissen der Polizei hat die „Wahre IRA“ bereits 150 Mitglieder. Das würde bedeuten, daß rund die Hälfte der IRA-Leute abgewandert sind, darunter auch der wichtigste Bombenspezialist. Und einen Märtyrer haben sie auch schon: Vorletzte Woche wurde der 28jährige Rónán MacLochlainn von der südirischen Polizei erschossen, als er einen Geldtransporter überfallen wollte.