Silberscheiben als Erinnerungshilfe

■ „Casa Kizomba“: Bremens kleiner, feiner Fachhandel für afrikanische Musik

Etwa 60 CDs schmücken die Wände der „Casa kizomba music“. Nicht gerade ein schwelgerischer Reichtum – vermutlich aber bundesweit einzigartig! Könnte nämlich gut sein, daß es hierzulande der einzige Musikladen für afrikanische Musik ist, der von einem Afrikaner geführt wird. Für möglich hält das auch Joao Manuel de Olivio Fragoso.

Dies Wortungetüm ist der Name des jungen, sympathischen Ladenbesitzers. Genauer gesagt „der Behördenname“. „Selbst meine besten Freunde in Angola würden mich aber unter diesem Namen nicht kennen.“ Er wurde nämlich Fragosos Familie vor etwa vier Generationen von den Portugiesen verpaßt. Daneben gibt es noch einen „Gebrauchsnamen“ – groteskes Symbol für die Schizophrenie, die einem Volk durch Kolonialismus aufgezwungen wurde.

Eigentlich ist Fragoso Agrar-ökonom. Doch seit 1995 macht er sich die Verbreitung von afrikanischer Musik zur Herzensangelegenheit – teils als eine Form von Selbsttherapie, teils zur Unterstützung der afrikanischen Community in Deutschland. Hauptsächlich in Belgien, Paris und Portugal sucht er sich sein CD-Sortiment zusammen. Deutschland hinkt in Sachen Weltmusik hinterher. Nur das Berliner Label „Piranha“ ist für Fragosa von größerem Interesse.

Vorgestern erst war Musikberater Fragoso in Rostock bei einem „kizomba“, einem Fest. „Ich bin eine Art Griot.“ – ??? – „... ich transportiere Kultur – in etwa wie eine Zeitung – ein großer Begriff“, meint er schalkhaft – und erklärt dann, daß ein Griot ein fahrender Musiker ist, der mit seinen Texten und der Musik auch ein Stück Lebenshaltung, ein Wertesystem und nicht zuletzt alte Legenden tradiert.

Fragosos Einstellung zur afrikanischen Musik ist so wechselhaft wie seine Lebensgeschichte. Natürlich lernte er als kleiner Junge Tamtam spielen und sich seine Gitarre selber zu bauen. Doch die Schulmissionare in der großen Stadt, in Luanda, hunderte Kilometer weg von Heimatdorf und Eltern, vermiesten dem 12jährigen seine eigene Kultur: Sie sei „unzivilisiert“. Bildung mußte sich ein angolanischer Dorfjunge mühsam erkaufen durch Entfernung und Entfremdung, schnöde geographisch aber auch kulturell.

Beim Studium in Leipzig in den Jahren 1987-92 tauchte bald eine wilde Angst auf, eigene kulturelle Gewißheiten zu verlieren und zurück in Angola zum Fremden zu werden. Vor allem das unterschiedliche Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft machte Fragosa zu schaffen. „Hier wissen die Menschen nichts von ihren Nachbarn. Braucht man Rat, muß man sich den für viel Geld bei einem Psychotherapeuten käuflich erwerben. In Angola dagegen steht den Menschen in entscheidenden Lebenssituationen immer ein ausgeklügeltes Netz von Familien- und Freundschaftsbeziehungen zur Seite.“ Mitten in diesen Verlustängsten gewann die afrikanische Musik für Fragosa wieder an Bedeutung; und zwar als Schutz vor allzugründlicher Infizierung mit westlicher Denkweise. Denn Musik erinnert an verlorengegangenes Lebensgefühl. „Das merkst Du dann, wenn Du eine CD auflegst und fängst plötzlich an zu weinen.“

In der DDR war es außerordentlich schwierig, an afrikanische Tonträger heranzukommen. So wurde die Idee geboren, afrikanische Musik leichter verfügbar zu machen, für sich, für Menschen mit vergleichbarem Schicksal aber auch für Deutsche, um ihnen Afrika näherzubringen. „Hört man hier etwas über Afrika, hat es immer etwas mit Krieg oder Hunger zu tun. Obwohl Afrikaner hier seit Achzehnhundertirgendwas leiblich vertreten sind, sind sie in Wahrheit nicht vertreten. Übrigens auch nicht bei Initiativen für Afrika, zum Beispiel bei der afrikanischen Literaturwoche. Und auch die Weltnächte in den Weserterrassen werden von Weißen konzipiert.“ Aber Fargosa darf dort immerhin die Musik auflegen.

Sänger wie Joussou N'Dour oder Sekouba Bambino ändern für den westlichen Musikmarkt nicht nur das Outfit (Bambino trägt auf der West-CD eine Baseballkappe anstelle des Strohhuts), sondern auch das Klanggewand: es ist üppiger und kantenloser. Das stört Fargoso nicht. Dennoch hat der westliche Konsum von afrikanischer Musik für ihn ein ausbeuterisches Moment. „Der Westen verachtete unsere Getränke, unsere Kleidung, unsere Musik. Und plötzlich findet er Caipirinha, Tangahöschen und Tamtam-Thearapien wahnsinnig schick.“ Aber eben nur als Mode, ohne die dahinterstehenden Menschen zu respektieren. Das zu ändern, dazu will Fagosa mit beitragen. bk

Casa Kizomba (mit Postvertrieb) verspricht jede lieferbare CD und MC auf Wunsch zu besorgen. Kornstr. 127 Tel.: 554610;