Ein Demokrat als Namensgeber? Nein

Hochschule und Demokratie in Konstanz: Die Professorenmehrheit lehnt es ab, das Univolk zu befragen, ob der 1848er Held Friedrich Hecker Namenspatron sein darf. Ein „Narr“ sei er, bei dem „was mit den Frauen war“  ■ Von Christian Füller

Berlin (taz) – „Da war doch irgendwas mit den Frauen.“ Frauke Meier ist ratlos. So genau weiß sie nicht, was eigentlich der Makel von Friedrich Hecker sein soll. Aus Anlaß des 150jährigen Jubiläums der 1848er Revolution wird Hecker gerade landauf, landab als einer der wenigen radikalen Demokraten gefeiert, die es damals gab. An der Universität Konstanz aber kommt der Anführer des antimonarchistischen Heckerzuges gar nicht gut an. Wie andere aus dem Rektorat der Uni soll Frauke Meier das erklären. Das aber fällt schwer.

Die Studierenden der Universität Konstanz haben zwar mit großer Mehrheit beschlossen, ihre Hochschule solle nach dem Mann mit dem stolz getragenen Heckerhut benannt werden. Die Professoren aber haben dies abgelehnt. Die Hochschullehrer weigern sich schlicht, eine Methode anzuwenden, für die der Republikaner Hecker einst gekämpft hat: eine demokratische. Mit 18:4 Stimmen lehnten die Professoren im Senat ab, alle Angehörigen der Universität nach ihrer Meinung über die Taufe auf den Namen Friedrich Hecker zu befragen. Kommende Woche, wenn die Selbstverwaltungsgremien der Hochschule gewählt werden, sollte das Uni-Völkchen abstimmen. Sparsam wäre das und demokratisch. Allein, die Professoren wollen nicht.

Der Rektor der Universität, Rudolf Cohen, läßt seit Tagen die Argumente der Professorenschaft verbreiten, auf daß es keinen neuerlichen Heckerzug gegen überkommene Rechte gebe. Schon damals, 1848, startete ein Haufen spärlich Bewaffneter in Konstanz, um den Monarchen in Karlsruhe zu stürzen. Das soll nicht wieder vorkommen. Cohen meint, wer eine Institution nach einer Person benenne, der hebe „diese Person immer auf Kosten anderer hervor“. Dazu bestehe kein Anlaß. Ein Grund gegen Hecker?

Andere Professoren wurden deutlicher. Im Senat, dem wichtigsten, aber gleichwohl nichtöffentlich tagenden Organ der Universität, bezeichnete ein Professor Hecker als „Narr“. Der Philosoph Jürgen Mittelstraß ergänzte, Hecker sei ein Politiker. Eine Universität könne sich höchstens nach einem exzellenten Forscher benennen. Demokratie, für die Hecker steht, habe mit einer Universität nichts zu tun.

Mittelstraß traf den Kern der Sache. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 1973 die Universitäten zu Einrichtungen erklärt, die von allen dort anwesenden Gruppen regiert würden. Bei ihrer Gründung Anfang der 70er Jahre galt die Reformuniversität Konstanz als progressives Vorbild. Damals hatte die Professorenschaft einen Teil ihrer Macht an Studierende und wissenschaftliche Assistenten abgetreten – es herrschte gleiches Stimmrecht. Heute weht ein anderer Wind: „Natürlich haben die Professoren laut Universitätsgesetz die Mehrheit“, erläutert Prorektor Marc Scholl. „Ich finde das nicht undemokratisch“, sagt Scholl zur Zusammensetzung des Senats. Sie sieht so aus: Jeweils zwei wissenschaftliche und nicht- wissenschaftliche Mitarbeiter sowie zwei Studenten haben Sitz und Stimme. Außerdem gehören dem Senat sechs gewählte Professoren an und zusätzlich 12 geborene Mitglieder – exakt jene 18 Professoren also, die mit ihrer garantierten Stimmenmehrheit eine Hecker- Umfrage ablehnten.

In Konstanz herrscht große Aufregung. Nicht über den Ukas der Professoren. Sondern über Hecker. Ein Bier trägt seinen Namen. Die Spitalkellerei hat einen edlen Tropfen nach dem Radikaldemokraten benannt. Im Rathaus ist die ganze Ostwand des Bürgersaals mit einem Prunkgemälde des Heckerzuges versehen worden, von der Lokalpresse als eine Hommage an die „Ursprünge der deutschen Demokratie“ beklatscht. Die Studenten? Sie sind gelassen. Am Professorenentscheid sehe man, meint einer mit feinem Lächeln, wie Hochschulpolitik hierzulande praktiziert wird: Demokratie bleibe eben eine Sache für Bierflaschen.