Homo-Sex unter 18 in England künftig straffrei

■ Neues Gesetz sieht herabgesetztes Mündigkeitsalter für Homosexuelle vor. Anglikanische Kirche läuft Sturm und hofft auf Blockade im Oberhaus. Dort haben die Tories die Mehrheit

Dublin (taz) – Der Schauspieler Michael Cashman, Kandidat für die Labour-Partei bei den nächsten Europawahlen, war bereits voller Vorfreude: „Auf einen Schlag hätten wir den Anfang des Endes unseres langen Marsches für Menschenrechte und Bürgerfreiheiten in diesem Land erreicht.“ Eine Voraussetzung für diese positive Einschätzung ist eine Gesetzesänderung, wonach homosexuelle Beziehungen 16- und 17jähriger BritInnen künftig nicht mehr strafbar sind. Gestern abend sollte das Unterhaus über ein entsprechendes Gesetz abstimmen. Eine Mehrheit galt es sicher, obwohl die Regierung in der Frage offiziell neutral blieb.

Der zuständige Innenminister Jack Straw hatte jedoch keinen Zweifel daran gelassen, daß er die Annahme befürwortete. Einen Fraktionszwang hatte die Labour- Partei jedoch nicht verhängt. Premierminister Tony Blair hatte die Abstimmung zur Gewissensfrage erklärt und den Abgeordneten die freie Entscheidung zugesichert.

Gleichzeitig kündigte er an, bestimmte „Sicherungen“ in das Gesetz einzubauen. So soll das Mindestalter bei 18 bleiben, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis besteht – also etwa zwischen Lehrer und Schüler. Das soll freilich auch für heterosexuelle Paare gelten. Bildungsminister David Blunkett und Gesundheitsminister Frank Dobson, die sich zunächst gegen die Gesetzesänderung ausgesprochen hatten, waren damit zufrieden und versprachen, zumindest nicht gegen die Regierung zu stimmen. Die Labour-Abgeordnete Ann Keen, die die Gesetzesänderung beantragt hatte, sprach gestern von „einem sehr wichtigen Tag für die Gleichberechtigung“.

Erst vor vier Jahren hatte das Unterhaus das Mindestalter für homosexuelle Beziehungen von 21 auf 18 herabgesetzt. Zwischen Befürwortern und Gegnern gab es damals heftige Auseinandersetzungen, die Abgeordneten wurden mit Tausenden von Briefen bombardiert, am Abend der Abstimmung hielten beide Seiten Mahnwachen vor dem Westminsterparlament ab. Diesmal ging es erheblich ruhiger zu, da die große Labour-Mehrheit als Garant für die Annahme der Gesetzesänderung gilt.

Die Homosexuellenorganisation Out Rage erklärte gestern, sie werde die Abstimmung nutzen, um eine neue Kampagne für eine weitere Reduzierung des Mindestalters auf 14 zu starten. Die Kirchen reagierten entsetzt auf diese Ankündigung. Für den Erzbischof von Canterbury, George Carey, ist bereits die Herabsetzung auf 16 ein rotes Tuch. Er sagte, die Gesetzesänderung würde Jugendlichen „eine falsche Botschaft darüber vermitteln, wie sie sich zu verhalten“ hätten.

Am Wochenende veröffentlichten die anglikanischen Bischöfe eine Erklärung, in der sie an die Pflicht der Kirchenvertreter und Politiker erinnerten, „junge Menschen vor Schaden und Ausbeutung zu schützen und ihnen den rechten Weg zu weisen“. Sie riefen zum Widerstand gegen den Druck auf, „jede Art von Lebensstil zu legalisieren“. Zwar rechneten die Bischöfe nicht damit, das Unterhausvotum entscheidend beeinflussen zu können, doch rechnen sie sich gute Chancen aus, wenn das Gesetz dem Oberhaus vorgelegt wird, wo die Tories die Mehrheit haben.

Das würde die Sache aber lediglich verzögern. Großbritannien gehört bisher zu den wenigen Ländern, die unterschiedliche Regelungen für heterosexuelle und homosexuelle Beziehungen haben. Finnland hat vor acht Tagen das Alter auf 16 gleichgestellt. Wenn das britische Parlament die Gesetzesänderung gestern wie erwartet abgesegnet hat, ist Österreich das einzige EU-Land, das für Homosexuelle ein anderes Gesetz als für Heterosexuelle hat. Ralf Sotscheck