Siegen - mit Geduld und Gelassenheit

■ Heike Glißmann – die Frau, die seit acht Jahren von Quotenkiller Eckhard Kalanke bekämpft wird

Als sich Heike Glißmann (56) vor acht Jahren um die Stelle als Sachgebietsleiterin im Gartenbauamt bewarb, hätte sich die Gartenbauingenieurin „nicht träumen lassen“, was auf sie zukommen sollte. Da bei gleicher Qualifikation nach dem Bremer Gleichstellungsgesetz Frauen bevorzugt wurden, bekam sie den Job. Aber ihr männlicher Mitbewerber, Eckhard Kalanke, zog bis vor den Europäischen Gerichtshof, um die Bremer Frauenquote zu kippen. Der verhinderte Abteilungsleiter siegte, weil das Bremer Gleichstellungsgesetz keine Härteklausel enthielt. Die Stelle mußte neu ausgeschrieben werden. Die Wahl fiel trotzdem wieder auf Heike Glißmann. Kalanke klagte dagegen erfolglos vor dem Arbeitsgericht. Auch die Berufung vor dem Landesarbeitsgericht hievte ihn nicht auf den Stuhl seiner Konkurrentin. Heike Glißmann ist bis heute Abteilungsleiterin im Gartenbauamt. Die taz wollte wissen, wie frau so einen Prozeß-Marathon durchhält.

Frau Glißmann, Ihr ehemaliger Kollege Eckhard Kalanke versucht seit acht Jahren, Ihnen den Job streitig zu machen. Wie fühlt man sich eigentlich auf einem Stuhl, der so hart umkämpft wird?

Ich habe vorher noch nie mit Gerichten zu tun gehabt, und ich habe sehr viel gelernt im Laufe der Jahre, nämlich Geduld und Gelassenheit zu üben, abzuwarten und beharrlich zu bleiben – genau wie der Kläger.

Herr Kalanke hat neulich gesagt, er sei durch die Instanzen gezogen, um etwas für Familien mit Kindern zu tun. Als Familienvater hätte er zwei Kinder zu ernähren. Sie seien „nur“ verheiratet und hätten keine Kinder. Wie fühlt man sich, wenn man so etwas hört?

Ach naja, zu Anfang regt man sich auf. Als ich mich auf den Job beworben habe, war ich noch gar nicht verheiratet. Ich war ledig und mußte mich selbst versorgen. Aber auch die Presse hat das immer falsch dargestellt und geschrieben, ich sei verheiratet. Dabei dürfte der Familienstand doch eigentlich gar keine Rolle spielen.

Wie war Ihr Verhältnis zu Herrn Kalanke, bevor er vor Gericht zog?

Freundschaftlich.

Haben Sie sich geduzt?

Wir duzen uns heute noch. Ich denke nicht daran, das zurückzunehmen. Er klagt ja nicht gegen mich, sondern gegen die Stadtgemeinde Bremen. Das muß man auseinanderhalten. Ich beziehe das nicht auf mich. Er hätte die Klage auch eingereicht, wenn eine andere Frau den Posten bekommen hätte.

Kalanke hat während des Verfahrens immer wieder behauptet, er sei der qualifizierte Bewerber, der der Frauenquote zum Opfer gefallen wäre. Stimmt das?

Nein. Er ist Diplom-Ingenieur, ich auch. Die gleiche Qualifikation ist hinreichend belegt worden. Das kann es also gar nicht gewesen sein. Es geht hier mehr um den Anspruch auf eine Stelle aus der Tradition heraus. Eckhard Kalanke hat lange mit dem vorherigen Sachgebietsleiter in einem Raum gesessen. Natürlich hat er alle Vorgänge mitbekommen. Aber das schließt ja nicht aus, daß eine Person, die nicht in dem Raum sitzt, genauso gut oder sogar besser qualifiziert ist. Das habe ich auch immer ins Feld geführt.

Die Stellenbesetzung hat für ziemlichen Wirbel gesorgt. Haben Sie deshalb das Gefühl, daß Sie kritischer beäugt werden?

Nein. Ich habe – zumindest nach außen – überhaupt nicht den Eindruck, daß ich stärker kontrolliert werde. Ich bin akzeptiert. Ich habe überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil. Es wird mir bestätigt, daß ich meinen Job gut mache.

Aber Sie stehen im öffentlichen Rampenlicht.

Das ist natürlich unangenehm. Aber ich habe mich immer mehr auf meine Arbeit konzentriert als auf die Meinung anderer. Ich habe mich damals auf die Stelle beworben, weil mich die Arbeit interessiert hat und ich die Verantwortung tragen wollte. Ich wollte etwas Neues bewegen. Als Sachbearbeiterin habe ich schon immer das Gefühl gehabt, daß man vieles verändern könnte. Und wir haben hier auch schon einiges bewegt. Das war mein Ziel, als ich mich bewarb. Ich wollte nicht mit dem Ticket der Frauenquote Karriere machen.

Sind Sie eigentlich für die Frauenquote?

Inzwischen ja. Damals habe ich mir darüber keine Gedanken gemacht. Jetzt bin ich heilfroh, daß das Landesgleichstellungsgesetz inzwischen so nachgearbeitet worden ist, daß wir keine Hindernisse mehr haben, die Frauen zu fördern. Aber grundätzlich ist es natürlich traurig, daß wir so etwas überhaupt benötigen. Ich hoffe nur, daß es die junge Generation leichter haben wird.

Woher haben Sie eigentlich die Kraft genommen, solange durchzuhalten?

Ich mußte mich ja schon früh gegen Männer behaupten. Wahrscheinlich ist mir damals das dicke Fell gewachsen. Früher hieß es: Gärtner ist ein schöner Beruf. Man ist immer an der frischen Luft. Aber die schweren Arbeiten, die gerade in der Landschaftsgärtnerei anfallen, sind gar nicht so selbstverständlich von einer Frau zu bewältigen. Außerdem bleiben ja auch körperliche Gebrechen zurück, zum Beispiel im Rückgrat. Ich habe mich damals schon immer behauptet. Ich habe Baustellen geleitet und hatte sechs Männer unter mir. Wahrscheinlich war ich schon immer dafür prädestiniert, so einen Präzedenzfall durchzustehen.

Inzwischen arbeitet Kalanke beim Umweltsenator. Wechseln Sie eigentlich die Straßenseite, wenn Sie ihn sehen?

Heike Glißmann lacht: Nein. Ich würde ihm „guten Tag“ sagen. Man sieht sich immer wieder im Leben, warum soll man sich nicht grüßen.

Fragen: Kerstin Schneider