■ Nordirland: Sinn Féin und IRA wollen künftig auf Gewalt verzichten
: Die Zweifel bleiben

Der Krieg in Nordirland ist aus und vorbei, sagt Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams. Nicht nur ihm ist zu wünschen, daß er recht hat. Es ist jedoch zu befürchten, daß er lediglich für die heutige Generation von Sinn Féin und der IRA spricht.

So richtig und wichtig die Sinn-Féin-Erklärung sein mag, der Frieden in Nordirland wird langfristig nur halten, wenn die politischen Grundlagen dafür geschaffen werden. Ob das britisch-irische Abkommen vom Karfreitag dafür taugt, wird sich erst erweisen müssen. Den Versuch ist es wert, doch Zweifel sind berechtigt: Der Friedensprozeß steuert auf eine interne nordirische Lösung hin, die an den Ursachen des Konflikts lediglich Kosmetik betreibt. Dieser Ansatz ist in der Vergangenheit immer wieder gescheitert. Sicher, diesmal sind Sinn Féin und weite Teile der IRA an Bord, doch das ist vor allem dem Charisma von Adams und Martin McGuinness zu verdanken.

Ein Frieden in Nordirland muß jedoch eine längere Lebensdauer haben als die beiden Sinn-Féin-Führer. Immer wieder ist an der Basis zu hören, daß man vom Friedensprozeß zwar wenig halte, aber Adams und McGuinness vertraue. Die Teenager in den Ghettos von Belfast und anderen Städten tun nicht mal das. Die täglichen Scharmützel und die immer höher werdenden „Friedensmauern“ zwischen protestantischen und katholischen Vierteln sind ein Beleg dafür, über den aber kaum berichtet wird.

Die Regierungen in London und Dublin schaffen mit ihren drakonischen und antidemokratischen Gesetzen gegen den Terrorismus die Voraussetzungen für ein Wiederaufleben eben jenes Terrorismus, sei es in zwei Jahren oder in zwanzig Jahren. Ihre Panikreaktion nach der Bombe von Omagh hat auch dafür gesorgt, daß die politische Opposition gegen das Abkommen nun kriminalisiert wird. In Radiosendungen haben aufgebrachte Anrufer bereits gefordert, daß diejenigen, die beim Volksentscheid über das Abkommen im Mai dagegen gestimmt haben, ausfindig gemacht und interniert werden müssen.

In einer solchen Atmosphäre wird mit der Keule des „demokratischen Willens der Bevölkerung“ legitime Kritik am Friedensprozeß mundtot gemacht, als ob die Kritiker automatisch Antidemokraten, Terroristen oder Faschisten sind – diese Begriffe sind seit dem Anschlag nicht nur in bezug auf die Attentäter gefallen. Von einer Demokratisierung, von der im Karfreitagsabkommen gesprochen wird, ist man zur Zeit weiter entfernt als damals bei der Unterzeichnung des Abkommens. Ralf Sotscheck