Skopje vor Machtwechsel

In Makedonien zeichnet sich eine Koalition zwischen makedonischen und albanischen Nationalisten ab  ■ Aus Skopje Erich Rathfelder

Die zweite Runde der makedonischen Parlamentswahlen am morgigen Sonntag kann spannend werden. Denn nach Lage der Dinge steht ein Machtwechsel an. Die regierenden Sozialdemokraten Makedoniens (SDSM) könnten von einer Koalition der makedonischen und albanischen Nationalisten abgelöst werden. Und das wäre in der Tat eine erstaunliche Entwicklung, hätte dies doch die Einbindung der von den internationalen Institutionen als „radikal“ eingestuften Albanerpartei PDSH unter Arben Xhaferi in die künftige Regierung zur Folge.

Wenn die 1,572 Millionen stimmberechtigten Bürger des Landes, das früher zu Jugoslawien gehörte, morgen an die Urnen gehen, werden noch 63 Sitze im Parlament zu bestimmen sein, denn im ersten Wahlgang wurden nur 57 der Sitze vergeben. 35 Sitze fielen nach dem Verhältniswahlrecht an die Parteien, die zum Sieg nötige absolute Mehrheit für die Direktwahl schafften im ersten Wahlgang nur 22 weitere Kandidaten in ihren Wahlkreisen.

Die nach dem ersten Wahlgang mit 28 Prozent der Stimmen führende „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die Makedonische Einheit“ (VMRO-DPMNE) greift zum zweiten Mal nach der Macht. Die während der Zeit des Königreichs Jugoslawien und während des kommunistischen Jugoslawiens verbotene Nationalpartei war schon nach den ersten Mehrparteienwahlen 1990 an der Regierung, konnte jedoch angesichts des Konflikts mit Griechenland und Serbien damals innenpolitisch wenig bewegen. Die Folge war ein Wechsel im Jahr 1992, der die jetzt regierenden Exkommunisten an die Macht brachte.

Zwar gelang es den Sozialdemokraten, die innenpolitische Lage zu beruhigen. Mit einem Staatsbürgerschaftsgesetz und einer Koalition mit der von albanischen Exkommunisten geführten „Partei der demokratischen Prosperität“ (PDP) versuchte sie zudem, den sich bald abzeichnenden Spannungen zwischen Makedoniern und der albanischen Minderheit – immerhin fast 30 Prozent der Gesamtbevölkerung – entgegenzuwirken.

Die in den letzten Jahren bekanntgewordenen Korruptionsskandale jedoch erschütterten das Vertrauen vieler makedonischer Wähler in die Sozialdemokratische Partei. Selbst der seit 1994 amtierende Premierminister Branko Crvenkovski wird allerlei dunkler Geschäfte verdächtigt. So sollen die Spitzengenossen nach Meinung der Opposition bei dem Unterlaufen des Embargos gegenüber Serbien in die eigenen Taschen gewirtschaftet haben.

Obwohl alle Machtmittel des Staates und der regierungsabhängigen Medien eingesetzt werden, um den Machtwechsel zu verhindern, befindet sich nicht nur die VMRO-DPMNE im Aufwind. Auch die neu gegründete „Demokratische Alternative“ (DA) des erfahrenen Außenpolitikers Vasil Tupurkovski konnte punkten. Sein Wirtschaftsprogramm – weg von den Importen, hin zu einer Entwicklung der Landwirtschaft und der Basisindustrien – wurde auch von der VMRO sowie der Albanerpartei PDSH übernommen.

Die sich abzeichnende Allianz dieser drei Parteien zielt auf eine Stabilisierung der Lage in Makedonien. Daß möglicherweise gerade die makedonischen Nationalisten den Forderungen der Albaner nach mehr Beteiligung im Staat – so an der Polizei, nach Anerkennung der albanischen Universität von Tetovo und der albanischen Sprache als zweiter Amtssprache – nachkommen wird, hat zu tun mit ihren antiserbischen Positionen. Seitdem Gerüchte kursieren, die regierenden Sozialdemokraten näherten sich der Regierung in Belgrad an, schrillten bei den Nationalisten die Alarmglocken so laut, daß sie trotz der antialbanischen Gefühlswelt ihrer Basis das Steuer herumriß.

Die Entscheidung liegt jedoch bei den Wählern. Noch haben die Sozialdemokraten Chancen, den Trend umzukehren. In den 63 umstrittenen Wahlkreisen sind die Abstände der Kandidaten oftmals sehr knapp. Deshalb ist sogar eine absolute Mehrheit der makedonischen Oppositionsparteien VMRO–DPMNE zusammen mit der DA nicht ausgeschlossen.

Wahlmanipulationen möchten die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit nicht gänzlich ausschließen. Doch im Moment heißt es: „Die Wahlen sind aber bisher fair und korrekt verlaufen.“