Letzte Rote-Khmer-Kämpfer geben auf

Kambodschas berüchtigste Guerillaorganisation ist militärisch am Ende, doch von ihren drei wichtigsten politischen Führern fehlt jede Spur. Die Chancen für ein Tribunal zur Aufarbeitung des Völkermords steigen  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Die letzte bewaffnete Einheit der Roten Khmer hat am Wochenende aufgegeben. Zum ersten Mal nach über dreißig Jahren Krieg, Bürgerkrieg und Rebellion gibt es nun eine ernsthafte Chance auf Frieden in Kambodscha. Von den drei wichtigsten politischen Führern der Gruppe, die für den Terror des Rote- Khmer-Regimes 1975 bis 1979 und den Tod von über einer Million Menschen verantwortlich gemacht werden, fehlt allerdings jede Spur.

Kambodschas Fernsehen zeigte am Samstag rund fünfhundert müde Soldaten der einst so berüchtigten Guerillaorganisation: „Wir bitten die königliche Regierung von Kambodscha um Erlaubnis, in die Gesellschaft zurückkehren und uns den königlichen Streitkräften anschließen zu dürfen“, sagte der Chef der Einheit, Khem Nuon. Er behauptete, im Namen von 5.000 Kämpfern und 15.000 Zivilisten zu sprechen. Experten halten diese Zahlen allerdings für übertrieben.

Die Überläufer hatten sich in den letzten Monaten auf einem schmalen Streifen im nordwestlichen Dschungelgebiet an der thailändischen Grenze durchgeschlagen. Sie waren nicht nur von Angriffen der Regierungstruppen, sondern auch von Monsunregen, Malaria und blutigen internen Machtkämpfen zermürbt. Ihre Familien leben bereits in Flüchtlingslagen in Thailand.

„Das ist das Ende der Roten Khmer“, erklärte der stellvertretende Stabschef der kambodschanischen Streitkräfte, Meas Sophea, der die Kapitulation am Tag zuvor in den berühmten Tempelruinen von Preah Vihear nahe der Grenze zu Thailand ausgehandelt hatte.

Das Ende kam auf Raten: Pol Pot, der ehemalige „Bruder Nr. 1“, starb im April, nachdem ihn seine ehemaligen Gefolgsleute bereits 1977 in einem Schauprozeß als „Verräter“ zu lebenslangem Hausarrest verurteilt hatten. Kurz vor seinem Tod eroberten Regierungstruppen den letzten Dschungelstützpunkt Anlong Veng.

Der größte Schlag allerdings war der Wechsel von Pol Pots ehemaligem Vizepremier und Außenminister Ieng Sary auf die Regierungsseite 1996. Er darf – vom König amnestiert – bis heute unbehelligt über die an Rubinen und Edelhölzern reichen Westregionen Pailin und Phnom Malai herrschen. Zahlreiche andere Funktionäre der Roten Khmer, darunter bekannte Mörder, sind seitdem übergelaufen und haben unter anderem bei ihm Schutz gefunden.

Für Kambodschas Premierminister Hun Sen ist die jüngste Kapitulation ein großer Erfolg. Seine Strategie, die Roten Khmer zu spalten, ging auf. Doch wo sind die drei notorischen Hardliner und ideologischen Köpfe der Organisation abgeblieben? Offiziell weiß niemand, wo sich der „Schlächter“ genannte Militärchef der Gruppe, Ta Mok, aufhält. Nuon Chea, die geheimnisversessene Nr. 2 in der Hierarchie der Roten Khmer, ist ebensowenig aufzufinden wie der weißhaarige Khieu Samphan, der das Terrorregime einst als „Präsidiumschef“ nach außen vertrat. Es ist aber ein offenes Geheimnis, daß die Führung der Organisation in der Vergangenheit immer wieder Schutz jenseits der Grenze in Thailand fand, obwohl das die Regierung in Bangkok niemals zugab.

Ta Mok und seine Kollegen, die ihren Untertanen ein kommunistisches und von fremden Einflüssen reines Leben aufzwingen wollten, machten gute Geschäfte auf der anderen Seite. Sie investierten zum Beispiel in Tankstellen, verkauften Edelhölzer und erholten sich in thailändischen Krankenhäusern. Die enge Beziehung zwischen dem thailändischen Militär und den Roten Khmer gehört zu den düsteren Kapiteln der Bangkoker Politik.

Die drei verschwundenen Führer gehören – wie der herzkranke Ieng Sary – zu jenen 15 bis 20 Roten Khmer, die sich möglicherweise vor einem Menschenrechtstribunal fürchten müssen. Die Chancen auf einen Prozeß sind in den letzten Monaten gestiegen. Eine Gruppe von internationalen Anwälten hat Kambodscha erst jüngst besucht und will der UNO im Januar einen Bericht vorlegen.