Dat Jeld verjücke!

Karneval, Fasching, Fastnacht – der fest terminierte Frohsinn ist Big Business. Allein im Epizentrum des rheinischen Karnevals, Köln, hängen über dreitausend Arbeitsplätze am „Kölsche Fastelovend“. Für die Kölner Wirtschaft bedeutet er eine halbe Milliarde Mark Umsatz, errechnete der Unternehmensberater McKinsey. Dieses Jahr werden nur für den Rosenmontagszug anderthalb Millionen Besucher erwartet. In der ganzen Republik gibt es 2.500 Karnevalsvereine. Seit 1955 werden die Mainzer Fastnachtssitzungen im Fernsehen übertragen. Der WDR, Haussender in den Hochburgen Köln, Düsseldorf und Aachen, widmet Sitzungen und Umzügen dieses Jahr 3.500 Sendeminuten.

Bis ins 13. Jahrhundert läßt sich der Fasching gesichert zurückverfolgen. Schon damals waren Essen, Trinken, Tanz und Verkleidung feste Elemente der Feier. Bald kam die Stadtschelte dazu, Spott und Rüge. Die Fastnacht wurde in ganz Deutschland gefeiert, in jeder gesellschaftlichen Schicht. Mit der Reformation änderte sich der Nährboden für die Narreteien: Fruchtbarer in katholischen, weniger fruchtbar in protestantischen Gebieten.

Die Urform des Faschings wird landläufig auf vorchristliche Bräuche zurückgeführt: Der Winter wurde mit viel Gebrüll aus dem Dorf getrieben. Besonders während der Naziherrschaft hat man die Fastnacht zum Überbleibsel germanischer Kulte stilisiert. Der Freiburger Historiker Werner Mezger hingegen glaubt, die Tradition sei aus dem christlichen Jahresrhythmus heraus entstanden: Ein kurzer Rausch mit Völlerei und Spaß vor dem Knebel der Fastenzeit. Die Etymologie spricht für diese These: Die „Fastnacht“ war ursprünglich die Nacht vor Aschermittwoch, „Karneval“ kommt von „carnislevamen“ oder „carnetollendas“ – lateinisch für Fleischwegnahme.

Der rheinische Karneval ist ein Kind des 19. Jahrhunderts. Aus Maskenbällen der Bürgerschicht heraus geboren, entstanden Umzüge und Prunksitzungen. Die Narren-Corps sollten die fürstliche Kleinstaaterei der deutschen Länder persiflieren. Aus der Ironie ist inzwischen bitterer Vereinsernst geworden. Dienstgrade und Orden sind zu zentraler Bedeutung gelangt. Jahrelang schmückte sich der Karneval mit Spontaneität und Anarchie, die er längst verloren hatte. Schlicht verkaufsfördernd steht er dieses Jahr in Düsseldorf unter dem Motto: „Jetzt wird noch flütt de Mark verjückt.“

Stefan Schmitt