Ein Stapel Kassetten

■ Was rauskommt, wenn Fernsehsender die Jugend vor Drogen warnen wollen, die Jugend sich dabei aber am besten selbst warnen soll

Mit Drogen ist das so eine Sache. „Droogen – da machen wir nicht mit, denn das Ganze ist nur Shit“, rappen vier Hamburger Türkinnen. Die „Karo-Girls“ haben ein Lied gegen Drogenkonsum geschrieben und sich beim Singen gefilmt. Höret, das Leben im Stadtrand-Ghetto ist auch nüchtern ganz schön: kaputtes Haus, Abraumhalde, Wummerbaß und dezentes Scratching als Klangteppich. Das ästhetische Universum eines M-TV-Opfers.

Mit Medien ist das auch so eine Sache. Selektion, Verzerrung, Gegenrealität. Und wenn dann in ihnen vor dem Drogenkonsum gewarnt wird, passiert folgendes: Ausgewiesene Ikonen der Jugendkultur wie Thomas Ohrner (Jahrgang 1965) mahnen grinsend im TV und auf Plakaten: „Keine Macht den Drogen!“ Die Karo- Girls sprach ein anderer Slogan an: „Drugs suck“, frei übersetzt „Drogen sind Scheiße“. So tauften RTL 2, die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und das Institut „Jugend Film Fernsehen“ einen Wettbewerb für Anti-Sucht- Videos. Untertitel: „Filmregie statt Ecstasy“, Jugendliche selbst sollten „Clips zum Thema Genuß, Sucht und Drogen“ drehen. Es winkte eine Ausstrahlung bei „Bravo TV“ mit Würdigung durch den Berufsjugendlichen DJ Bobo.

Gut zehn Monate nach dem televisionären Einmalschlag gibt es jetzt die Konserve zur Kampagne: „The best of drugs suck“ enthält die zehn besten von 117 Einsendungen, zusammen mit einer Broschüre, die Tips zum Selberdrehen gibt. „Zwei Clips stechen ganz besonders heraus: ,Deep‘ und ,Verbote‘“, sagt Andrea Weller, bei RTL 2 für den Jugendschutz zuständig. „Deep“ parodiert das neckische RTL 2-Magazin „Peep“, in „Verbote“ ist ein Alkohol- und Nikotinverbot der erste Schritt zum totalen Verbotsstaat. Im Fernsehen laufen einzig noch die „Lustigen Musikanten“ – natürlich bei einem öffentlich-rechtlichen Sender. Darstellerin Kathrin meint: „Verbote sind doch echt für'n Arsch.“ Das dürfte RTL 2 gefallen.

So wird für Eigenverantwortung plädiert und auch irgendwie über Sucht gesprochen. „Die Medienkompetenz von Jugendlichen fördern“, heißt das bei RTL 2. Nun kann man die Kassette kaufen, und damit auch noch Schulen unterstützen. Fünfunddreißig Minuten Clips mal ghettoromantisch, mal plump witzig. Würde man das professionell nachproduzieren und senden, senden, senden, ginge es ja noch an. So aber werden die Kassetten in den Regalen von Jugendpflegern verstauben. Welcher von Drogen versuchte Jugendliche kauft schon ein Video namens „Drugs suck“? Stefan Schmitt