Nicht enden wollende Abenteuer

■ Friedemann Hahn malt nach, wie Bilder zu Ikonen und wieder zu Bildern werden. Die Ausstellung ist im Haus am Waldsee zu sehen

Ein Maler mit irrem Blick und Vollbart – Vincent Van Gogh. Palette, Hosenträger, gelber Strohhut im prallem Sonnenlicht – Kirk Douglas als Van Gogh in der Biografie-Verfilmung „Lust for Life“. Kirk Douglas eingefroren im poppigen Farbenfeuer rot-blau-gelber Striche – vom Maler Friedemann Hahn auf Leinwand gebannt, anstelle eines selbstporträtierten Vincent Van Gogh. Um das Motiv herum ein unterteilter Rahmen aus Leinwand, als müsse man sagen: Halt, hier ist es ein Bild. Denn was sehen wir, das Motiv eines Malers? Einen berühmten Schauspieler, eine bekannte Filmszene, den großen Maler selbst?

„Mythos Film – Legenden leben lang“ heißt eine Ausstellung im Zehlendorfer Haus am Waldsee, die das Wechselspiel von Motiv und Malerei berührt. Sie war 1998 unter anderem Namen in Bremen, Lübeck und Lingen zu sehen: 120 Werke von Friedemann Hahn, Jahrgang 1949, Professor der Malerei in Mainz und einer der herausragenden deutschen Neoexpressionisten.

Über zwei Jahrzehnte umfaßt die Schau, von realistisch-plakativen Filmbildern bis zu aktuelleren konzeptionellen Gemälden. Der rote Faden: Hahn malt Bilder über Bilder oder über das, was zu einem Bild wurde: Eine Szene mit Humphrey Bogart und Laureen Bacall aus einem 1945er-Gangsterfilm blieb in Erinnerung, ein Bild brannte sich ein, das Still. Oder ein Raum mit Fruchtschale, im Detail abgemalt, erinnert – ein Standard, das Stilleben. Was flüchtiger Kitsch oder Alltag war, wird zu gemeinsamen Kulturgut. So entsteht eine Ikonographie von Erinnertem, Assoziationen, die das Reservoir der bildenden Künstler auffüllen. Die Kunstgeschichte versorgt sich so mit beliebig zitierbaren Mythen und Kultfiguren: Aus dem Gegenstand wird Erinnerung, wird Ikone, wird Bild.

Hahn malte in den 70er Jahren eine Reihe alter Filmstills einfach ab oder über, wie das berühmte Postermotiv zu „Vom Winde verweht“ – realistisch poppige Plakate. Ähnlich wie Warhols „Last Supper“ ein Zitieren bekannter Motive. Der Pop-art-Meister hatte von Michelangelo abgekupferten Kitsch als Vorlage genommen, ein ähnliches Medium wie der Unterhaltungsfilm: Ob Jesus und seine Jünger bei Warhol oder Marylin Monroe bei Hahn, das Motiv springt aus der Pop- in die Hochkultur. Später legt er mehr Wert auf Gesten und Figuren, in der Ausstellung dazu: die Van-Gogh- Bilder und die Stilleben der 80er Jahre. In den letzten Jahren überlagert er die Motive immer mehr, zum Beispiel den Fotozyklus Eisfahrt: Übermalung mit Farbe und schwarzer Tusche bis zur Unkenntlichkeit.

Diese späten Werke nehmen einen bedeutenden Teil der Ausstellung ein, enttäuschen sicher die Erwartungen, die der Titel „Mythos Film“ weckt. Die Filmzitate sind eben nur ein Aspekt der Ikonographie Hahns. Ein anderer Schwerpunkt: Maler. Nicht ihre Werke, ihr Konterfei gibt Hahn großformatig und grobstrichig wieder. Der Künstler wird zum Motiv. Claude Monet oder Edvard Munch in der Geste „Maler“ als Künstlermythen.

„Bilder über Bilder“, wie der Katalog zur Ausstellung heißt, wäre der passendere Titel gewesen. Auf den drei vorherigen Stationen hieß sie so. Im Sinne des Künstlers geht der zweite Teil der Zeile aber in Ordnung: „Legenden leben lang“. Stefan Schmitt

„Mythos Film – Legenden leben lang“. Friedemann Hahn im Haus am Waldsee, Di–So noch bis 4. April, Eintritt 6, erm. 4 DM, Katalog 48 DM