Galactic Park

Vorkrieg der Sterne: „The Phantom Menace“ startet nächste Woche in den amerikanischen Kinos – in einen rundum hysterisierten Markt hinein  ■ Von
Stefan Schmitt

„Ich wünschte, der Film hätte länger gedauert“, war alles, was Steven Spielberg sagte. Auch er mußte sich vor der Privatvorführung zur Geheimhaltung verpflichten. Er hatte gerade das Lebenswerk eines Konkurrenten gesehen, die letzte große Hysterie der Neunziger: Die Fortsetzung der Star-Wars-Trilogie.

„Star Wars“, der „Krieg der Sterne“, rettete 1977 dem maroden Hollywood-Studio 20th Century Fox den Hals und katapultierte einen jungen Regisseur in die erste Reihe der Blockbuster-Bereiter, George Lucas. Zwei Fortsetzungen folgten 1980 und 1983: „Das Imperium schlägt zurück“ und „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“. Der erste Teil hielt den Titel des verkaufsstärksten Filmes aller Zeiten ganze sechzehn Jahre lang, bis er von Spielbergs „Jurassic Park“ entthront wurde. Insgesamt spielte die Trilogie weltweit rund 1,8 Milliarden US-Dollar ein. Nicht genug: Mit „Star Wars“ gelang es zum ersten Mal überhaupt, durch Merchandising mehr umzusetzten als an der Kinokasse selbst. George Lucas, der dem Studio die Merchandising-Rechte abgetrotzt hatte, wurde damit zum Multimillionär. Die Vermarktung des neuen Films wird das noch weit übertreffen. Marken wie Pepsi und Lego stehen Schlange. Bis heute füttern Souvenirs, Spielzeuge, Kostüme, aber vor allem ein Dutzend Videospiele und über 600 Bücher eine große Fangemeinde. Auch über den Kreis der Fans hinaus ist „Star Wars“ ziemlich populär.

Ein Riesenmarkt, der seit spätestens November unter Strom steht. Der Grund: Die erste Kinowerbung für den vierten Teil des Weltraum-Epos, „The Phantom Menace“, mit Ewan McGregor, Natalie Portman, Liam Neeson und Samuel L. Jackson lief in den US-Kinos. An normalen Wochentagen liefen Abertausende Menschen in den Film „Rendezvous mit Joe Black“, nur um den vorgeschalteten Werbespot zu sehen. Die Internet-Seiten www.star wars.com und www.apple.com, wo man den Trailer als Videoclip herunterladen kann, waren überlastet. Die amerikanische Computerpresse spricht von 10 Millionen Downloads in wenigen Tagen. Und überhaupt überreagieren die Medien um die Wette.

„The Phantom Menace“ wird sicher der Film des Sommers werden. Er hat gute Chancen, James Camerons „Titanic“ in den Schatten zu stellen. Und zu Weihnachten wird das Spielwarengeschäft dieses Jahr nur ein Thema kennen. Was ist an „The Phantom Menace“ so besonders?

George Lucas greift einerseits auf einen leidlich erfolgreichen Dreiteiler zurück, vermeidet aber kongenial schlicht die äußerst problematischen Erwartungen, die man an Fortsetzungen stellt. Eine Fortsetzung hat gefälligst die Helden und ihre Geschichte so weiterzuspinnen, wie wir selbst das nach dem Kinobesuch getan haben. Ein Abklatsch darf sie aber nicht sein, und sich erst recht nicht in Zitaten und Spezialeffekten erschöpfen. Kaum lösbar, zumal für Science-fiction-Filme.

Lucas' Lösung: Die Fortsetzung ist keine Fortsetzung, kein „Sequel“, sondern eine Vor-Setzung, ein „Prequel“. Im semantischen Feinsinn dieses einen Wortspiels steckt der Geniestreich des vierten „Star Wars“-Filmes: Tatsächlich ist er „Episode 1“, so auch sein Vortitel. Die bisher bekannten drei Folgen werden rückwirkend zu seinen chronologischen Nachfolgern, den Episoden vier bis sechs erklärt. Davor entsteht ein weitgehend erwartungsfreier Raum: „The Phantom Menace“, zeitlich vor der schon bekannten Trilogie, erzeugt nicht die übliche Haltung beim Zuschauer „Wie wird es weitergehen?“, sondern „Was ist da vorher passiert?“ Erst in den Prequels Nummer zwei und drei, die für 2000 und 2002 geplant sind, muß Lucas den Anschluß an den Beginn von „Krieg der Sterne“ finden.

Er hütet sich davor, die Frontstellung der Trilogie zu repetieren: Darth Vader, der große Böse der Episoden vier bis sechs, ist noch ein kleiner Junge, ein süßer kleiner Junge. Wie in aller Welt kann er nur zum mächtigen Jedi-Ritter werden, die Helden der schon bekannten Trilogie zeugen und schließlich der Versuchung der dunklen Seite erliegen? Eine geschickte Verkehrung der Perspektive.

Ebenso geschickt wird im Vorfeld das scheinbare Gefälle zwischen Werbung und Geheiminformation verkehrt: „Lucasfilm“, die Produktionsfirma des Drehbuchautors und Regisseurs George Lucas, heizt als Verfechterin einer stringenten Geheimhaltung die Gerüchteküche an. Diese verbreitet Vermutungen, Wissenssplitter und gezielt dosierte Indiskretionen als erworbenes Herrschaftswissen. Die Diskrepanz zwischen der Mär vom geheimgehaltenen Prequel und der Flut an Informationen zu Optik und Handlung des Filmes scheinen die selbsternannten Spione der Fan-Seite für ihr eigenes Verdienst zu halten, übersehen kann man sie nicht. Was in „The Phantom Menace“ geschehen wird, ist soweit bekannt. Daher wäre es denkbar, daß zwar jedermann zum Premierenwochenende in das Prequel gehen möchte, daß das Publikumsinteresse danach jedoch relativ rasch verebbt.

Präventiv verknappt LucasArt die verfügbaren Kinokarten, indem nur Kinos, die hohen technischen Ansprüchen genügen, überhaupt eine Kopie des Filmes erhalten. Zunächst müssen diese Lichtspielhäuser den THX-Soundstandard erfüllen, eine Audioeffekte-Norm, die eine der vielen Firmen von George Lucas festlegt. Dann muß „The Phantom Menace“ wenigstens acht bis zwölf Wochen lang auf der größten Leinwand des betreffenden Multiplexes laufen. Mehr als acht Minuten Werbespots vor dem Film sind verboten, nur fünfeinhalb davon sind für die Trailer fremder Filmstudios zugänglich. Zu guter Letzt wird es keinen Kartenvorverkauf für das „Star Wars“-Spektakel geben. Um Schwarzhandel zu verhindern, sagt man bei „Lucasfilm“.

Die Folge: Schon seit Anfang April campieren deshalb Fans im Schichtdienst vor den Kassen mehrerer kalifornischer Kinos. Geduldig warten sie auf den Premierenabend am 19. Mai und sprechen Journalisten Sätze ins Mikrofon wie: „Ich will bei einem der größten Ereignisse des Jahrhunderts dabeisein.“