Schicksal Eigenheim

■  Wann fällt die Wand der Selbstbeherrschung? Die Filmkomödie „Hinterholz 8“ arbeitet das Archetypische im Häuslebauer heraus

Schlimmer als in München kann es nicht kommen. Ausnahme: Wien. Beide Städte sind vom Dialekt verwüstet, die Schlagobers-Metropole deutlich stärker. Wenn man da gleich am Ring in einer Mietskaserne wohnt, mit einem Satansbraten von Sohn und mit dem Bewußtsein, daß die beneidenswert wohlhabenden Verwandten es viel schöner haben, dann kann man sich einzig mit einem Lebenstraum über Wasser halten – mit dem von den eigenen vier Wänden.

Spießig ist das zwar, aber im Grünen hätte man wenigstens mehr Platz und seine Ruhe. Auf halbem Weg ins Grüne, also Richtung Wienerwald, liegt die „Blaue Lagune“, eine Fertighaus-Ausstellung und als solche Ort von Tagträumen und Desillusionierung zugleich: Besichtigen immer, bezahlen können nimmer.

Herbert und Margit Krcal verbringen dort ihre Wochenenden, bis sie beim Waldspaziergang auf einen Traum stoßen, der im Gegensatz zu allen anderen finanzierbar wäre – ein verfallenes Haus mit der Adresse „Hinterholz 8“. Daß der Kauf das Schicksal der Kleinfamilie Krcal besiegelt, ist dem Zuschauer sofort klar. Der Kauf überstürzt, überteuert, unüberlegt, die Akteure doppelt linkshändig und naiv. Die Komödie des Drehbuchautoren-Duos Harald Sicheritz (Regie) und Roland Düringer (Hauptrolle) ist bitterböse angelegt, kann jedoch auf die üblichen Kalauer der Sorte „Mann kauft marodes Haus“ nicht verzichten: Sich verselbständigende Elektrowerkzeuge, Deckendurchbrüche und Kurzschlüsse. Wie die hoffnungsvolle Renovierungsaktion gegenständlich gesehen in einen hoffnungslosen Abriß umkippt, ist mäßig überraschend, aber wenigstens solide.

Das Scheitern der Krcals hat aber noch eine zweite Ebene: Das Zerbrechen einer echten Partnerschaft. Trotz verlängerter Babypause bei Margit und einem muffigen kleinen Angestelltenjob bei Herbert ist die Ehe Krcal ausgeglichen gleichberechtigt. Zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich bricht in dem Moment, wo Herbert Haus und Werkzeug kauft, das Ur-Patriarchalische aus ihm hervor: Ein roh-dumpfes Verhalten, im Film durch die Renovierungskumpanen und Proleten Meier und Sepp symbolisiert. Beim Heimwerken, dem Initiationsritual des post-agrarischen Männlichkeitswahns, zerbricht die dünne Wand der Selbstbeherrschung. Aus dem kontrollierten Büromenschen Herbert wird der selbstgerechte Tyrann. Manuelle Überforderung kompensiert er mit Jähzorn, wird engstirnig und uneinsichtig. Daß Ehefrau Margit diese Entwicklung voraussieht, nützt da gar nichts: Aus dem selbstbewußten „Schrei mich nicht an“ wird schnell ein beschwichtigendes „Nicht vor dem Buben, bitte“. Wenn Margit Herbert letztlich ohrfeigt, so kommt sie damit nur einer unvermeidlich scheinenden Entwicklung zuvor.

Jeder Mann ein Heimwerker, Neandertaler, Autist? Jeder Mensch anfällig für den Verlust an Realität und Augenmaß. Harter Tobak für eine Komödie. Selbst der bescheuerte Dialekt kann nicht über ihre Allgemeingültigkeit hinwegtäuschen. „Hinterholz 8“ ist überall. Stefan Schmitt

„Hinterholz 8“, Regie: Harald Sicheritz. Mit Roland Düringer, Nina Proll, Rudolf Rohaczek. A 1998, 105 Min.