Wenn eine Druckerei wie ein Kuhstall entlüftet wird

■ Letzter Teil der taz-Serie: Mit Hilfe der Europäischen Union wurde in Hohenschönhausen eine superökologische und gleichzeitig billige Druckerei gebaut. Ein selten glücklicher Fall

Rolf-Friedrich Henke, Besitzer einer Zeitungsrotationdruckerei in Hohenschönhausen, liest gern alte Bücher über das Leben auf dem Lande. In einer Schwarte von 1905 entdeckte er vor Jahren interessante Aspekte über die Abluft aus Kuhmägen und die selbsttätige Ventilation von Kuhställen. Da mußte er sofort an seine Druckerei denken. Warum sollte er weiterhin eine teure Klimaanlage betreiben, wenn man die Entlüftung der Halle auch auf natürlichem Wege bewerkstelligen kann?

Das war der Anfang einer Erfolgsgeschichte, die sich in Hohenschönhausen zuträgt, die aber die weitentfernte Bürokratie der Europäischen Union mit einigen Millionen Mark erst möglich gemacht hat.

1996 begann der Bau von Henkes neuer Druckerei, die insgesamt rund 35 Millionen Mark kosten sollte. Etwa 13,5 Millionen spendierten unter anderem das Land Berlin und die Europäische Union aus Töpfen, die kleine und mittlere Unternehmen einerseits wettbewerbsfähig halten und gleichzeitig ökologisch modernisieren sollen.

Die lichte Halle im Berliner Osten ist mittlerweile zum industrietouristischen Hotspot geworden. Finnische, britische und deutsche Manager geben sich die Klinke in die Hand. Die Anlage, auf der unter anderem Zeitungen gedruckt werden, hätte in seinem eigenen Unternehmen 60 Millionen Mark gekostet, greinte unlängst der Vertreter eines Druckkonzerns. Henkes Billigbau wurde möglich, weil man auf vieles verzichtete, was erstens teuer und zweitens umweltbelastend ist.

Zum Beispiel die Klimaanlage: Die gibt es nicht. Denn die Ingenieure gestalteten die Halle so, daß die von den Druckmaschinen erzeugte Wärme dank natürlicher Luftzirkulation durchs Dach entweicht. Dieser einfache Kunstgriff war möglich, weil das Gebäude statt eng und gedrungen wie üblich diesmal weit und großzügig gebaut wurde. Warum wiederum funktionierte das? Weil man auf den Deckenkran verzichtete. Der wird normalerweise installiert, um die schweren Maschinen aufzustellen und auszuwechseln, bedarf aber einer äußerst stabilen Dachkonstruktion und bedingt deshalb – um die Kosten zu reduzieren – den Bau enger Hallen. Bei Henke gibt es statt eines Krans hohe Tore, durch die Maschinen bequem hindurchpassen.

Diese praktischen Verbesserungstricks am Bau brachten einigen MitarbeiterInnen der Senatsumweltverwaltung und der Beratungsfirma B & SU auf die Idee, eine Art Förder-Pilotprojekt mit Geldern der Europäischen Union durchzusetzen.

Nicht immer freilich nehmen die Projekte des Umweltförderprogramms, das mittlerweile die landeseigene Investitionsbank Berlin verwaltet, eine derart glückliche Wendung. Wegen mangelnder Kontrolle und allzu großer Vertrauensseligkeit setzte die Förderbank unlängst ein ähnlich umfangreiches Vorhaben komplett in den Sand. Die Firma KomBiTec wollte in Marienfelde eine neuartige Biogasanlage für die Umwandlung von Lebensmittelabfällen errichten. Doch von 14 Millionen Mark Fördergeldern sind etwa fünf Millionen einstweilen verschwunden. Das Projekt gilt damit mindestens vorläufig als gescheitert: Europa ist gut – aber man muß es richtig machen. Hannes Koch