Perus politische Gefangene verlieren die letzte Hoffnung auf einen fairen Prozeß

■ Die Regierung von Peru will die Urteile des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes künftig nicht mehr anerkennen

Buenos Aires (taz) – Im Plenarsaal des peruanischen Parlaments brüllten sich die Abgeordneten von Regierung und Opposition gegenseitig an, hauten sich einander Anfeindungen um die Ohren. Vor dem Gebäude protestierten derweil Demonstranten gegen die Regierung. Doch am Ende lief alles so, wie es Präsident Alberto Fujimori geplant hatte. Am Donnerstag abend brachte die Regierung ihre beiden höchst umstrittenen Anträge mit 66 zu 33 Stimmen mühelos durch das Parlament. Damit wurde beschlossen, Entscheidungen des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes in Zukunft nicht mehr zu akzeptieren und daß in Peru niemand für ein Regierungsamt kandidieren kann, gegen den im Land ein Gerichtsverfahren läuft.

Mit dem Beschluß zum Menschenrechtsgerichtshof der Organisation für Amerikanische Einheit reagierte die Regierung auf eine unbequeme Entscheidung des in Costa Ricas Hauptstadt San José ansässigen Gerichts. Denn der Interamerikanische Menschengerichtsgerichtshof war zu dem Ergebnis gekommen, daß vier in Peru wegen Terrorismus verurteilte Chilenen kein faires Verfahren gehabt hatten und daß ihr Prozeß vor einem zivilen Gericht noch einmal aufgerollt werden müsse.

In Peru gehören bei Prozessen gegen mutmaßliche Staatsfeinde hinter getönten Panzerglasscheiben sitzendeRichter und Staatsanwälte, der Ausschluß der Öffentlichkeit und eine zweifelhafte Beweisführung zum Alltag. Bei den Urteilen wird aus Gründen der Abschreckung oft im Zweifel gegen die Angeklagten entschieden.

Präsident Alberto Fujimori wollte sich jedoch dem höchsten Menschenrechtsgerichtshof der Region nicht beugen. Die Verurteilung der vier Chilenen in Peru verteidigte er mit den Worten, sie „gibt dem Land Sicherheit“. Der Präsident verkündete, daß „Terroristen keine neue Chance vor Gericht“ bekommen, und brachte den jetzt im Parlament abgesegneten Antrag ein.

Für den japanischstämmigen Präsidenten ist es gar ein Fortschritt im Friedensprozeß des Landes, daß künftig die Entscheidungen des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofes nicht mehr in Peru akzeptiert werden. Für die Kommission der Juristen der Andenländer ist es dagegen ein klarer Rückschritt. Denn mit der Parlamentsentscheidung „sind die Peruaner noch schutzloser“.

In Peru sind die Zeiten der Guerillabewegungen längst vorbei. Der maoistische Leuchtende Pfad hat einen Friedensvertrag unterzeichnet, und der Revolutionären Bewegung Tupac Amaru (MRTA) wurde mit dem gewaltsamen Ende der Besetzung der Residenz des japanischen Botschafters in Lima Anfang 1997 der Todesstoß versetzt. Keiner der Guerilleros hatte die Befreiungsaktion von Spezialeinheiten des Militärs überlebt.

Der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof in San José, der Hauptstadt Costa Ricas, ist die einzige Hoffnung auf ein gerechtes Verfahren, die den nach Terrorismusgesetzen Verurteilten bisher blieb. Sie darben unter katastrophalen Umständen in den peruanischen Gefängnissen.

Seitdem das Parlament die Verfassungsrichter absetzte, die sich gegen eine Wiederwahl von Fujimori im Jahr 2000 aussprachen, gibt es im Land keine unabhängige Beschwerdeinstanz mehr. Seitdem blieb nur noch der Gang nach San José.

Dort sind denn auch noch neun weitere Fälle aus Peru anhängig: Darunter die Beschwerde der US-Amerikanerin Lori Berenson, die als Mitglied der MRTA zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Auch der Besitzer eines Fernsehkanals, Baruch Ivcher, legte dort Beschwerde gegen seine Enteignung und Ausbürgerung ein, was jetzt nicht mehr überprüft werden kann.

Die zweite Entscheidung des Parlaments vom Donnerstag, die Kandidatur von Personen zu verbieten, gegen die in Peru ein Verfahren läuft, zielt klar gegen Ex-Präsident Alan Garcia. Er lebt in Paris im Exil. Immer wieder gab es Gerüchte, er wolle nächstes Jahr nach Peru zurückkehren, um bei den Präsidentschaftswahlen gegen Fujimori anzutreten. Da die Justiz des Landes allerdings noch offene Rechnungen mit ihm hat, wurde ihm jetzt die Kandidatur verboten. Garcia ist vielleicht der einzige, der Fujimori bei den kommenden Wahlen schlagen könnte. Zwar wird Fujimoris erneute Kandidatur von der Verfassung untersagt, doch deutet alles drauf hin, daß der „El Chino“ genannte Präsident nochmals antreten wird.

Ingo Malcher

In Peru sind der Ausschluß der Öffentlichkeit und zweifelhafte Beweise bei Prozessen gegen „Staatsfeinde“ alltäglich