Bewohner von Bhopal werden immer noch vergiftet

■ Die verrottende Fabrik von Union Carbide setzt einen gefährlichen Chemiecocktail frei

Bhopal (IPS) – Die seit langem geschlossene Fabrik des US-Chemiemultis Union Carbide in Bhopal tötet 15 Jahre nach der Giftgaskatastrophe immer noch die Menschen in der Umgebung.

In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1984 war in der Fabrik bei Reinigungsarbeiten ein Tank mit Methylisocyanat explodiert, das in der Herstellung von Pflanzenschutzmitteln verwendet wird. Dabei entstanden das Kampfgas Phosgen und Blausäure. 4.000 Menschen erstickten, rund 15.000 sterben nach Angaben von Ärzten einen langsamen Tod. Weitere 500.000 Menschen trugen durch das schlimmste Unglück der Industriegeschichte dauerhafte Gesundheitsschäden davon.

Union Carbide einigte sich mit Indien in einem außergerichtlichen Vergleich auf einen Schadensersatz von 470 Millionen US-Dollar und gab die Fabrik auf, die nun dem indischen Staat gehört. Seitdem aber verrottet die Anlage und entlässt ihre Giftfracht nach und nach in die Umgebung.

Eine Quelle ständiger Gefahr sind vor allem die Verdunstungsbecken der Fabrik, in die jahrzehntelang hoch giftige Abwässer geflossen sind. Die Bewohner der nahe gelegenen Slums haben die Plastikversiegelung der Becken entfernt, um damit ihre Hütten zu decken. Bei jedem Regen sickert nun Gift, vor allem das in den teerigen Rückständen gebundene Quecksilber, in den Boden und verseucht das Trinkwasser. Rund 200 Brunnen sind so hoch belastet, dass die Behörden dringend vom Genuss des Wassers abraten.

Proben, die schon 1990 von der örtlichen Initiative Bhopal Group for Information and Action (BGIA) gesammelt wurden, ergaben weitere Giftstoffe. Der Boden in der Anlage und der Umgebung sowie das Trinkwasser im Umkreis der Fabrik wiesen hohe Konzentrationen an Dichlorbenzol und an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen auf, beide hochgradig krebserregend.

Den Chemiecocktail im Grundwasser bestätigt auch ein Bericht der staatlichen Gesundheitsbehörde, der 1996 angefertigt wurde und erst kürzlich an die Öffentlichkeit gelangte: „Es ist sicher, dass die Verschmutzung auf die Substanzen in der Fabrik von Union Carbide zurückzuführen ist.“ Der Chef der Umweltbehörde des indischen Bundesstaates Madhya Pradesh bezeichnete den Bericht der Gesundheitsbehörde jedoch als „Fälschung“.

Tatsächlich ist es möglich, dass das Quecksilber im Trinkwasser bereits seit Jahrzehnten zirkuliert. Schon 1977 enthüllte ein Bericht des indischen Energieministeriums ein Umweltdesaster: Zwischen 1950 und 1963, als die Fabrik noch Union Carbide gehörte, sind bis zu 1.088 Tonnen Quecksilber aus dem Betrieb der Anlage ins Erdreich und ins Grundwasser versickert.