Die Umsetzung der Reform ist mangelhaft“

■ Das Globalbudget ist unhaltbar, die Krankenhausfinanzierung untragbar, der Osttransfer ist unmöglich, findet Eckhart Fiedler, Vorstandsvorsitzender der einflussreichen Barmer Ersatzkasse

taz: Sie haben den Regierungsentwurf zur Gesundheitsreform lange mitgetragen und sind nun plötzlich davon abgerückt. Warum?

Eckhart Fiedler: Das Ziel der Gesundheitsreform, eine gute Versorgung unserer Versicherten unabhängig vom Einkommen zu garantieren, ist richtig. Aber die Umsetzung ist mangelhaft. Die Krankenkassen sollen zum Beispiel in Zukunft die Krankenhäuser finanzieren. Im Jahr werden so acht bis elf Milliarden Mark auf uns zukommen, ohne dass wir die Letztentscheidung bei der Krankenhausplanung kriegen. Da wäre es uns lieber, dass alles so bleibt wie es ist – das heißt, die Länder bleiben für die Investitionskosten zuständig.

Kritisieren Sie jetzt auch das geplante Globalbudget?

Grundsätzlich ist das Globalbudget richtig. Aber es fehlen Regelungen, wie Ersparnisse an einer Stelle an anderer Stelle eingesetzt werden können. Außerdem gibt es Einnahmeprobleme. Die Renten werden weniger steigen, und deshalb werden wir von der Rentenversicherung auch weniger Beiträge bekommen. Ich sehe nicht, wie wir da das Globalbudget einhalten sollen. Außerdem schöpft der Gesetzentwurf vorhandene Einsparmöglichkeiten nicht aus.

Wo sehen Sie die?

Zum Beispiel müssten Überkapazitäten bei den niedergelassenen Ärzten abgebaut werden. Eine ausufernde Konkurrenz bedeutet, dass viele medizinisch unnötige Leistungen erbracht werden.

Was halten Sie vom Änderungsvorschlag der Regierung, nach dem ein Sachverständigenrat alle zwei Jahre das Budget überprüfen und eventuell einen Nachschlag empfehlen soll?

Das ist ein guter Vorschlag. Wenn es medizinische Entwicklungen gibt, die viel kosten, dann müssen wir das berücksichtigen. Das löst aber das grundsätzliche Problem nicht, dass unsere Einnahmen nicht ausreichen.

Der ehemalige Gesundheitsminister Horst Seehofer sagt, die Kassen sollten unterschiedliche Leistungskataloge anbieten.

Der Vorschlag ist nicht sehr intelligent. Man müsste dann dazu sagen, was solidarisch finanziert werden soll und was vom Einzelnen nur noch durch einen Sonderbeitrag zu erhalten ist.

Warum lehnen Sie die geplante Hilfe für die überschuldeten allgemeinen Ortskrankenkassen in Ostdeutschland ab?

Dieses Problem muss innerhalb des AOK-Systems gelöst werden. Die Beitragssätze einzelner AOKs sind zu niedrig. Wir subventionieren den Beitragssatz der AOKs in den neuen Bundesländern und in Berlin bereits. Mehr ist nicht drin.

Geben Sie der Gesundheitsreform noch eine Chance?

Im Bundesrat hat die Opposition die Mehrheit. Deshalb müssen sich alle Beteiligten an einen Tisch setzen und einen gemeinsamen Neuanfang versuchen. Hier sollten unbedingt die Experten mit dabei sein. Wenn Regierung und Opposition das nicht hinkriegen, läuft die ganze Geschichte auf. Die Krankenkassenbeiträge und damit die Lohnnebenkosten würden steigen.

Interview: Tina Stadlmayer