Das Buch zum Millenniumshass, das eigentlich ein Liebesroman sein sollte

Ein Schutzumschlag, nicht eben subtil: In einem Hundehaufen steckt eine Feuerwerksrakete. Das Buch ist orange, der Titel lautet „Warum mir das Jahr 2000 am Arsch vorbeigeht“. Der Titel war dem Autor schon nicht recht, aber der Umschlag ärgerte ihn richtig. Er wollte nicht Kacke, nicht Obi-Orange. Joseph von Westphalen hat einen Roman zum Jahreswechsel geschrieben, der am liebsten ein Liebesroman sein wollte. Doch Eichborn, Westphalens Verlag, hat das Büchlein poppig orange ausstaffiert. Der Autor drängte, den Schutzumschlag auszuwechseln. Aber „Arsch“ und „2000“ im Titel mussten bleiben.

So weit das wahre Leben. Die geschriebene Parallelwelt besteht aus der verrückten Verschachtelung logischer Annahmen: Die Aussicht auf ein Silvester mit drei Nullen am Neujahrsmorgen macht die halbe Welt verrückt. Ein Lohnschreiber, seines Zeichens Millenniumswechselhasser und Zeitgeistnörgler, nimmt den Auftrag an, „Liebe 2000“ zu schreiben, ein Trendbuch für den Jahrtausendwechselmarkt. Es kommen noch mehr solcher Angebote: „Großstadt 2000“, „Adel 2000“, „Wir feiern 2000“. Bald ist ihm klar, dass er keines der Bücher schreiben, bei allen Verlagen nur die Anzahlungen kassieren wird.

So weit der Plot. Er ist das Gerüst für einen satirischen Rundumschlag: Event-Wahn, Trendhörigkeit, Kriegsvergesslichkeit werden da gegeißelt – alltägliche Modernitätshysterie und das neurotische Verlagsgeschäft vorgeführt. Buch und Realität – zwei Welten aus dem Tollhaus. Und das Verrückteste: Am Ende siegt die Vernunft, hüben wie drüben.

Im echten Leben ist der große Trend ausgerechnet Hysterieenthaltung. 58 Prozent der Deutschen bleiben zum Jahrtausendsilvester zu Hause, belehrte uns der Spiegel vier Wochen vor dem Jahr 2000. Immer mehr Mega-Millenniums-Feten werden abgesagt. Und nur so viel zum Buch: Da bleibt der ganz große Knall wegen siebenunddreißigfacher Verlagstäuschung aus. Das Vernünftigste: Am Ende siegt die Liebe. Der Lohnschreiber behält Nadja, die Eidechse. Und ab Januar 2001 liegt Westphalens Roman nur noch mit seinem bisherigen Untertitel in den Regalen: „Das Zeitalter der Eidechse“ – im gelb-beigen Umschlag, bei den Liebesromanen.

Stefan Schmitt

Joseph von Westphalen: „Warum mir das Jahr 2000 am Arsch vorbeigeht oder Das Zeitalter der Eidechse“. Eichborn 1999, 160 Seiten, 24,80 DM