Schweigen und genießen

Die Regierungsparteien schlagen kaum politisches Kapital aus der Spendenaffäre der CDU. Die Grünen genießen still, die SPD schwitzt im Glashaus leise vor sich hin

Die CDU-Spendenaffäre sorgt für Zündstoff in der Diskussion über die Strukturreform der grünen Partei. Kerstin Müller, Vorsitzende der grünen Bundestagsfraktion, sagte der taz: „Unsere Mitglieder diskutieren darüber, ob wir angesichts des CDU-Skandals tatsächlich die Vereinbarkeit von Amt und Mandat beschließen sollen.“ Sogar Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, CDU, hatte vor wenigen Tagen gefordert, als Lehre aus dem Skandal müsse über die Trennung von Ämtern und Mandaten nachgedacht werden. Genau diese Trennung sollen die Grünen nach einem Vorschlag ihres Bundesvorstandes auf dem kommenden Parteitag im März ganz oder teilweise aufheben. Kerstin Müller bleibt trotz des CDU-Skandals dabei, dass ihre Partei die bestehenden Bestimmungen lockern sollte. Kohl sei gleichzeitig Partei- und Fraktionsvorsitzender und Bundeskanzler gewesen – bei den Grünen gehe es doch nur darum, „ob jemand gleichzeitig ein Landtagsmandat und ein Posten im Parteivorstand innehaben kann.“ Man müsse jedoch „darüber nachdenken“, ob die Partei die Trennung von Regierungsposten und Parteiamt festschreiben soll.

Die Mitglieder des grünen Bundesvorstandes und der Bundestagsfraktion haben in den vergangenen Tagen diskutiert, welche Konsequenzen die Partei aus dem aktuellen Parteispendenskandal ziehen müsse. Sie waren sich darüber einig, dass es keinen Sinn mache, „auf die CDU draufzuprügeln“ oder eine „Staatskrise“ an die Wand zu malen. Auch Kerstin Müller ist der Meinung, „dass wir noch keine Staatskrise haben“. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die ehemalige Bundesregierung Schmiergelder bekommen habe, „dann haben wir es mit einer ausgemachten Krise zu tun“. Die Gefahr sei groß, dass in diesem Fall das gesamte Parteiensystem in Misskredit gerate und die Menschen das Vertrauen in die staatlichen Institutionen und Kontrollmechanismen verlören.

Mit der SPD sind sich die Grünen einig, dass das Parteiengesetz in seiner Substanz nicht geändert werden muss. Der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele will im Gegensatz zu SPD-Fraktionschef Peter Struck nicht einmal die Verletzung des Parteiengesetzes unter Strafe zu stellen. Ströbeles Argument: Dann hätten alle Verdächtigen ein Auskunftsverweigerungsrecht im Untersuchungsausschuss. Auch ein Verbot von Parteispenden hält Ströbele für „Blödsinn“. Allerdings müsse man darüber nachdenken, ob Firmenspenden untersagt werden sollten.

Insgesamt sei das Parteiengesetz in Ordung, es gebe lediglich „ein Vollzugsdefizit“. So sei es zum Beispiel ein Unding, dass der Bundestagspräsident die Rechenschaftsberichte der Parteien nur annehmen oder ablehnen könne. Entweder müsse die Bundestagsverwaltung mehr Kompetenzen bekommen oder die Rechenschaftsberichte sollten in Zukunft vom Bundesrechnungshof geprüft werden.

Auch in der SPD wird über diesen Punkt nachgedacht. Generalsekretär Franz Müntefering versucht die Diskussion zu bremsen. Zur taz sagte er: „Bevor wir an Konsequenzen denken, muss erstmal alles aufgeklärt werden.“ Wenn jetzt eine Debatte über das Parteiengesetz geführt werde, diene das nur der Entlastung der CDU.

Justizministerin Herta Däubler-Gmelin erkennt in dem CDU-Skandal sogar etwas Positives. Die „gute Nachricht“ sei doch, „dass in unserem parlamentarischen System alles ans Licht kommt und verfolgt wird“. Führende Sozialdemokraten sind sich mit den Spitzenpolitikern der Grünen einig, dass auf keinen Fall der Eindruck entstehen dürfe, „dass die Regierung aus dem CDU-Skandal politisches Kapital schlagen will“. Dies würde „bei den Wählern schlecht ankommen“. Es gibt noch andere Gründe für die Zurückhaltung: Führende Sozialdemokraten, allen voran Bundespräsident Rau, stecken selbst bis zum Hals in der nordrhein-westfälischen Flugaffäre. Und: Waffenhändler Karlheinz Schreiber hat vor wenigen Tagen angedroht, er werde demnächst Details über Spenden an Sozialdemokraten auspacken. Der Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses und ehemalige Thyssen-Geschäftsführer Helmut Wieczorek wird seit der Ankündigung seines Duzfreundes unruhig schlafen.

Tina Stadlmayer