Auf ihn hört niemand mehr

Der FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Gerhardt: Endlich wollte er mal liberales Profil zeigen, und da scheitert er an seiner eigenen Partei

Mit saurer Miene verließ FDP-Chef Wolfgang Gerhardt am Samstag die Sitzung mit seinen hessischen Parteifreunden. Stundenlang hatte er versucht, die Landesvorsitzende Ruth Wagner davon zu überzeugen, dass sie die Koalition mit der CDU aufkündigen müsse. Ohne Erfolg. „Ich bin als Bundesvorsitzender nicht gewillt, die Entscheidung des hessischen Landesverbandes mitzutragen“, sagte er wütend vor laufenden Kameras. Dabei wirkte Wolfgang Gerhardt, der seit Monaten umstrittene Bundesvorsitzende, in Lich zum ersten Mal richtig kämpferisch.

Von seinen Parteifreunden wurde er jahrelang als „schnarchender Löwe aus Wiesbaden“, und „profilloses Weichei“ veräppelt. Der Stern porträtierte ihn hämisch als „Mann mit dem gewissen Nichts“. Über all die Jahre wurde ihm „Vasallentreue gegenüber der Union“ vorgeworfen. Doch plötzlich weiß Gerhardt seine schärfsten Kritiker, die FDP-Vorsitzenden aus Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Kubicki und Jürgen Möllemann, auf seiner Seite. Kubicki sagte, er sei „fassungslos“ über die Entscheidung der Hessen-FDP. Möllemann forderte in der Bild am Sonntag einen Sonderparteitag in Hessen. Denn: Die FDP müsse „einem Ministerpräsidenten, den sie gewählt hat, die Unterstützung entziehen, wenn dieser geltendes Recht bricht“.

Mit allen Mitteln versucht Gerhardt deutlich zu machen, dass der Konflikt mit den hessischen Parteifreunden ernst ist. Ihm bleibe zwar nichts anderes übrig, als die Entscheidung des Landesvorstandes zu akzeptieren, er werde jedoch weiterhin laut sagen, dass er sie für falsch halte. Was für Gerhardt wohl wirklich schmerzhaft ist: Seine eigene politische Karriere begann im hessischen Landesverband. Deshalb ging er davon aus, dass seine Freunde noch heute auf ihn hören würden.

Gerhardt wollte gestern nicht ausschließen, dass es nun wieder Diskussionen um seine Person und seine Führungsrolle in der FDP geben werde. Doch bislang hat ihn – anders als nach der Serie von Wahlniederlagen im vergangenen Jahr – niemand aus den eigenen Reihen kritisiert. Damals hatten prominente Liberale gestreut, er habe als Vorsitzender versagt und müsse abgelöst werden. Nach der verlorenen Saarland-Wahl habe er ernsthaft überlegt, ob er aufhören solle, gab Gerhardt vor einigen Monaten vor Journalisten zu. Aber dann habe er sich mit Freunden beraten und beschlossen zu bleiben: „Ich bin keiner, der schnell resigniert, ich bin zäh“, sagte er damals.

Auch nach der Niederlage seiner Partei vor drei Monaten bei der Wahl in Berlin weigerte sich Gerhardt zurückzutreten. Einen Putschversuch von Kubicki und Möllemann, die Rainer Brüderle als neuen Vorsitzenden installieren wollten, wehrte er mit Hilfe des Ehrenvorsitzenden Hans-Dietrich Genscher ab. Nun sieht Gerhardt seine beiden Parteifeinde plötzlich auf seiner Seite. Vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werden sie sich nicht mehr getrauen, an seinem Stuhl zu sägen. Danach könnte es schnell wieder anders aussehen.Tina Stadlmayer