Die sonnige Herberge von Mirow

■ Im Mecklenburgischen entsteht die erste Jugendherberge Europas, die ihren gesamten Wärmebedarf bald aus regenerativen Energien deckt. Gäste erleben nachhaltiges Wirtschaften in attraktiver Lage. Für Expo angemeldet

Die Jugendherberge Mirow im Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern wird als erste Jugendherberge Europas ihren gesamten Wärmebedarf und einen Großteil ihres Strombedarfs aus erneuerbaren Energien decken. Im September 2000 wird das neue Haus eröffnen, dessen Rohbau gerade fertiggestellt wurde. „Mirow 21“ heißt das ambitionierte Projekt des Deutschen Jugendherbergswerkes (DJH).

„In dieser Jugendherberge wird das ganze Spektrum einer nachhaltigen Lebensweise deutlich“, sagt Programmkoordinator Thiemo Klittmann. Am besten erkennbar wird die Nachhaltigkeit natürlich bei der Energieversorgung. 250 bis 300 Megawattstunden Wärme, für Heizung und Warmwasser, sind für das Haus mit seinen 32.000 Übernachtungen pro Jahr kalkuliert. Oder anders ausgedrückt: So viel Energie, wie in 25.000 bis 30.000 Litern Heizöl steckt, wird die Jugendherberge jährlich benötigen. Und diese Energie bekommt sie komplett aus erneuerbaren, heimischen Energien. Dass die anvisierten Werte auch tatsächlich erreicht werden, dafür steht ein renommierter Partner: Das Institut für Sonnenenergieforschung Hameln/Emmertal (ISFH) hat das Energiekonzept entwickelt.

240 Quadratmeter Sonnenkollektoren werden etwa ein Drittel der notwendigen Wärme liefern. Das zweite Drittel wird die vollautomatische Holzhackschnitzel-Heizung mit 130 Kilowatt Leistung bereitstellen, den Rest schließlich ein Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk mit 20 Kilowatt thermischer und 10 Kilowatt elektrischer Leistung. In einem separaten Gebäude, der Energiezentrale, sind die beiden Feuerungsanlagen, ein 60 Kubikmeter Holzspänebunker und ein 1.000 Liter fassender Pflanzenöltank untergebracht. Ein Pufferspeicher für die Solarwärme, der 75 Kubikmeter warmes Wasser aufnimmt, ermöglicht ein effizientes Energiemanagement auch über einige trübe und kalte Tage hinweg.

Sowohl das Holz als auch das Pflanzenöl kommen aus der Region. Das Häckselgut besteht aus waldfrischen Holzeinschlagabfällen der mecklenburgischen Forstwirtschaft, das unbehandelte Öl kommt von den Rapsfeldern der Region, die im Frühsommer das Mecklenburger Land leuchtend gelb überziehen.

Grundlage für die klimaneutrale Versorgung der Jugendherberge ist natürlich auch eine zeitgemäße Architektur des Neubaus, die auch auf die passive Solarnutzung Wert legt. So ist das Gebäude mit viel Glas nach Süden ausgerichtet, während es nach Norden hin weniger Fensterflächen gibt – aber das ist heute ohnehin Standard eines jeden guten Architekten. Mit 49 Kilowattstunden pro Quadratmeter erreicht der jährliche Heizenergiebedarf einen guten Niedrigenergiestandard.

Beim Strom wurde auf eine Vollversorgung aus wirtschaftlichen Gründen einstweilen noch verzichtet. Dennoch kommt das Haus auch hier auf einen hohen Anteil von Öko-Energie. Von ihren 80.000 Kilowattstunden Jahresstrombedarf deckt das Pflanzenöl-Blockheizkraftwerk etwa die Hälfte. Die Photovoltaikanlage, die zu Demonstrationszwecken errichtet wird, trägt mit 1.600 Kilowattstunden hingegen nur geringfügig zum Stromangebot bei. Aber nachdem sich die wirtschaftlichen Bedingungen für Solarstrom ständig verbessern, denkt man in Mirow darüber nach, die Anlage schon bald aufzustocken. Auch ein kleines Windrad war mal angedacht – damit ließe sich der noch fehlende Anteil von etwa 40.000 Kilowattstunden dann problemlos decken.

Das Herbergsgebäude ist eine architektonische Meisterleistung; auch unter sozialen Aspekten wurde Neuland betreten. Wabenförmig angeordnete Sitzgruppen in den Arbeits- und Essräumen (laut DJH-Prospekt: „fraktale Seminarräume“) sollen Gruppenarbeit fördern. Schlafräume, deren Eingänge sich zu einem gemeinsamen Mittelpunkt orientieren, schaffen dort einen Treffpunkt. Und auch optisch setzen sich die beiden annähernd runden, grasbedeckten Hauptgebäude mit einem geschwungenen Verbindungstrakt von konventionellen Bauten ab. Man habe in Mirow zeigen können, dass ein innovatives Baukonzept nicht teurer sein müsse als die Standardbauweise, heißt es beim Jugendherbergswerk.

Für andere Zielgruppen als nur Schulklassen will sich die Jugendherberge ebenfalls öffnen. Auch bei Familienfreizeiten und Gruppenreisen, bei Fortbildungen und Workshops sollen Gäste künftig nachhaltiges Wirtschaften erleben können. Die Lage der Jugendherberge am Mirower See und die angrenzende Kanuschule machen das Haus mit seinen 130 Betten besonders attraktiv.

Auf der Expo 2000 in Hannover wird das Deutsche Jugendherbergswerk das Projekt „Mirow 21“ präsentieren. „Wir wollen zeigen, dass eine zu hundert Prozent auf regenerativen Energien beruhende Nahwärmeversorgung der Gebäude möglich ist“, sagt Ingenieur Thomas Voßberg von der Firma Spartec in Güstrow. Das Unternehmen ist für die Planung der Energietechnik in Mirow verantwortlich und berät das Deutsche Jugendherbergswerk auch bei Bauprojekten in anderen Häusern.

Nun hofft Voßberg, dass es in Zukunft weitere regenerativ versorgte Jugendherbergen geben wird. Doch nicht nur für Jugendherbergen kommt das Öko-Konzept in Frage. Von Mirow ausgehend, könnte eine CO2-neutrale Wärme- und Stromversorgung auch bei zukünftigen Siedlungen realisiert werden. „Bei Gebäuden und Einrichtungen mit einem hohen Warmwasserverbrauch – zum Beispiel Krankenhäuser und Seniorenheime – ist bereits heute der Einsatz von Solaranlagen zur Warmwasserbereitung wirtschaftlich“, sagt Voßberg. Bislang aber stoße man mit innovativen Konzepten bei solchen Einrichtungen häufig noch auf Zurückhaltung: „Die Betreiber sind oft nur schwer von den Vorzügen und der Wirtschaftlichkeit einer umweltfreundlichen Wärme- und Stromversorgung zu überzeugen.“

Bernward Janzing