Sydneys Bischöfe geißeln erstmals Mardi Gras

Veranstalter des schwul-lesbischen Festivals erwarten jetzt einen neuen Besucherrekord

Sydney (taz) – Gemeinsam haben Sydneys Bischöfe erstmals die schwul-lesbische Mardi-Gras-Parade angegriffen, die am Samstag zum 22. Mal stattfindet. Homosexualität sei gegen alle „Gesetze der Moral“, wettert der katholische Kardinal Edward Clancy. Er fordert: „Homosexuelle Menschen müssen Selbstdisziplin lernen, um ihr Verhalten zu unterdrücken.“ Der anglikanische Erzbischof Harry Goodhew fordert „Politiker und alle Organisationen einschließlich christlicher auf, ihre Unterstützung des Mardi Gras zu überdenken“. Der Umzug propagiere Werte und Lebensstile, die nicht als Vorbild für Jugendliche geeignet seien. Die Bischöfe fordern, die „hoch erotische Propagandaveranstaltung für homosexuellen Lebensstil“ zu meiden.

In der Vergangenheit hatten sich die Kirchen mit Stellungnahmen zurückgehalten. Sie fürchteten auch, in der für ihre Satire bekannten Parade lächerlich gemacht zu werden. Jetzt aber sei es Zeit, Stellung zu beziehen, so die Bischöfe, weil weiteres Schweigen als Unterstützung der Gay Community angesehen würde.

„Diese Kommentare stammen aus den 60er-Jahren und passen so gar nicht in das tolerante und weltoffene Sydney im Jahr 2000“, kommentierte Mardi-Gras-Präsident David McLachlan. Die Bischöfe hätten offenbar jeden Kontakt zu den Menschen in ihren Gemeinden verloren. Denn religiöse schwul-lesbische Gruppen seien seit langem fester Bestandteil des Mardi Gras und seiner Parade.

Australiens Anglikaner haben eine Kommission eingesetzt, die Empfehlungen zum Umgang mit Homosexualität erarbeitet. Erzbischof Goodhew solle dem jetzt nicht durch unbedachte Äußerungen vorgreifen, kritisiert Pfarrer Michael Nixon. Goodhew sieht sich im Einklang mit der Weltkonferenz der anglikanischen Kirche. Die hatte 1998 beschlossen: Gott würde alle gläubigen Menschen lieben, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung. Praktizierte Homosexualität sei jedoch unvereinbar mit der Bibel. Die Stellungnahme des erzkonservativen Goodhew ist auch eine Kampfansage an das neu gewählte Oberhaupt der australischen Anglikaner. Der liberale Erzbischof von Perth, Peter Carnley, hatte seine Kirche aufgerufen, ihre konservative Haltung zur Sexualität zu revidieren.

Mardi Gras ist das größte schwul-lesbische Festival der Welt, das jährlich auch tausende Besucher aus dem Ausland anzieht und 135 Millionen Mark zum Einkommen Sydneys beiträgt. Mardi-Gras-Pressesprecher Antony Hill ist zuversichtlich, dass in diesem Jahr dank der bischöflichen Werbung der bisherige Rekord von 750.000 Besuchern gebrochen wird. Michael Lenz