Und ein letztes Glas im Stehen

Endlich ist bei Rühe der Groschen gefallen: Nicht nur hat er in Schleswig-Holstein verloren, er ist auch als CDU-Chef ungeeignet. Nach ihm die Zukunft

aus Berlin TINA STADLMAYER

Jetzt ist es raus: „Ich stehe definitiv für die Wahl des Parteivorsitzenden nicht zur Verfügung“, verriet Volker Rühe am Wochende. Und wer soll es dann machen? Der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf, so Rühe, wäre eine „ausgezeichnete Lösung“.

Kurz davor hatte er bereits getönt: „Am besten sollte ein Ministerpräsident CDU-Vorsitzender sein.“ Dieses Votum richtete sich vor allem gegen eine Kandidatur von Angela Merkel. Der Parteivorsitzende müsse die Möglichkeit haben, „die Interessen der CDU pur vertreten zu können“, und sollte deshalb nicht - wie Angela Merkel - Mitglied der Bundestagsfraktion sein.

Nach seiner glimpflichen Niederlage als CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein vor einer Woche dachte Rühe offenbar, er habe durchaus Chancen auf den CDU-Vorsitz. Die „Stabilisierung der CDU in einer existenziellen Krise“ sei gelungen und dieses Ergebnis mache ihm „Mut“. Er habe „mit vollem Risiko“ seine Person eingesetzt und „in etwa“ sein Wahlziel erreicht. Ab sofort wolle er „Bundespolitiker für Schleswig-Holstein“ sein.

Doch dann kam plötzlich alles ganz anders: Bei der Wahl zum stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion bekam Rühe nur 134 von 170 Stimmen. Es traf ihn besonders, dass die Parlamentarier aus Schleswig-Holstein bis auf eine Ausnahme gegen ihn stimmten.

Am Donnerstagabend kam es zum Showdown mit den Schleswig-Holsteinern. Auf dem Kleinen Parteitag der Nord-Union eröffnete der CDU-Landesvorsitzende Peter Kurt Würzbach das Duell. Rühe habe während des Wahlkampfes einen Umgangston an den Tag gelegt, wie er unter Freunden nicht üblich sei. Rühe schoss zurück: Würzbach habe gemeinsam mit der CDU-Landesgruppe im Bundestag Schäuble als Vorsitzenden der Bundestagsfraktion demontiert.

Offenbar hat der Hanseat mit dem Bulldozzer-Image inzwischen erkannt, dass ihn so gut wie niemand in der CDU als Vorsitzenden will. Objektiv haben Rühe und Merkel mit denselben Nachteilen zu kämpfen: Beide sind evangelisch und gelten als liberal. Aber Angela Merkel ist nicht nur an der Basis, sondern auch bei vielen Abgeordneten beliebter als der Exverteidigungsminister.

Die beiden Nordlichter waren jahrelang befreundet. Das hinderte Rühe nicht daran, mit harten Bandagen zu kämpfen. Er gönne Angela Merkel die „emotionale Zuwendung“, die sie bei den bisherigen Regionalkonferenzen erfahren habe, Gefühle könnten jedoch nur „Teil des Gesamtprozesses der Kanditatensuche“ sein.

Rühe ist nicht der einzige in der CDU, der sich über die Angela-Merkel-for-President-Tour aufregt. Die Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld lästerte: Die Regionalkonferenzen dienten nicht der Aufarbeitung der Spendenaffäre, sondern hätten „den Charakter amerikanischer Vorwahlkämpfe angenommen“.

Dabei ist Merkel offiziell noch keine Anwärterin. Doch der Merkel-Fanclub verzeichnet täglich neue, auch völlig überraschende Neuzugänge.

Der „vergleichsweise liberale Teil der CDU“ habe „eine riesengroße Chance in all dem Durcheinander und dem Debakel“, verriet Christa Thoben, Berliner Kultursenatorin, dem Tagesspiegel. Die Konstellation, Merkel als Parteichefin und Rühe als Generalsekretär habe „ihren Reiz“.

Inzwischen hat sogar der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber seine Einwände gegen Merkel zurückgenommen. Zuvor hatte sein Innenminister Günter Beckstein geschwärmt, sie wäre „für mich eine gute und attraktive Vorsitzende“. Auch Kurt Biedenkopf hat sich indirekt für Merkel stark gemacht. Durch seinen sächsichen CDU-Chef Fritz Hähle ließ er verkünden, dass er mit einer Führungsrolle als Parteivize zufrieden sei.

Nach Rühes Rückzug bleibt Merkel nur noch ein Gegenspieler erhalten. Der CDU-Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, verkündete zwar, er wolle Regierungschef in Düsseldorf werden. Das hinderte ihn jedoch nicht daran, gegen Merkel zu keilen: Die Sympatiekundgebungen auf den Regionalkonferenzen bedeuteten „keinen Automatismus zu ihren Gunsten.“