IWF-Hilfe gegen Armut?

NEIN  ■ Währungsexperte PETER BOFINGER: Der IWF ist eine moneteäre Institution, die sich um die internationale Währungsordnung kümmern soll. Den besten Beitrag zur weltweiten Armutsbekämpfung kann der IWF dadurch leisten, dass er sich wieder auf seine ursprüngliche Funktion besinnt.

Die aktuelle Diskussion über den Internationalen Währungsfonds leidet vor allem darunter, dass kaum noch jemand weiß, worin eigentlich die Hauptaufgabe dieser Institution bestehen soll. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass der IWF einst gegründet worden war, um die Funktionsfähigkeit des im Jahr 1944 neu errichteten Festkurssystems von Bretton Woods zu gewährleisten.

Er sollte zum einen vermeiden, dass Länder Abwertungen nur deshalb vornehmen, um sich dadurch einseitige Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Zum anderen sollte er jenen Notenbanken beistehen, die von spekulativen Attacken durch die Devisenmärkte bedroht sind. Mit dem Zusammenbruch dieser Währungsordnung im März 1973 wäre es eigentlich konsequent gewesen, den IWF aufzulösen.

Doch Institutionen erweisen sich in der Regel als sehr findig, wenn es darum geht, sich neue Aufgaben zu verschaffen. Der IWF konzentrierte sich schon bald darauf, als wirtschaftspolitischer Berater finanzschwacher Länder tätig zu werden. Bei der stark zunehmenden Zahl der Klienten wurde er so zum „McDonald’s“ für Politikberatung. Jedes Land erhielt denselben BigMäc, ob es nun in Asien oder Lateinamerika lag, ob es sich um ein postkommunistisches System oder eine traditionelle Marktwirtschaft handelte.

Völlig verloren ging dabei die Vorstellung, dass es in der Welt einer internationalen Institution bedürfte, die zur Schaffung geordneter Währungsverhältnisse zuständig ist. Mittlerweile ist man in Washington der Ansicht, dass es in der Währungspolitik nur noch zwei Ecklösungen geben darf: völlig marktbestimmte Kurse und absolut feste Kurse. Beide, so glaubt man, bedürfen keinerlei internationaler Überwachung. Im ersten Fall sorge schon der Markt für die richtigen Kurse, im zweiten Fall sei die Bindung an eine der großen Leitwährungen wie z. B. den Dollar so eng, dass ein Land faktisch keine eigene Währung mehr habe.

Doch dieses Vertrauen in die flexiblen Kurse ist mehr als naiv. Die Erfahrungen seit 1973 zeigen deutlich, dass rein marktbestimmte Kurse zu völlig chaotischen Prozessen tendieren. In den relativ kleinen und heute auch meist sehr offenen Volkswirtschaften der Entwicklungsländer würde dies jede planvolle Wirtschaftspolitik unterlaufen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich kaum ein Land an den Rat aus Washington hält. So gut es geht, versuchen die Notenbanken dieser Länder jeweils im Alleingang für geordnete Währungsverhältnisse zu sorgen.

Und damit sind wir heute wieder in einer Situation wie in den Dreißigerjahren angelangt. Ohne einen internationalen Ordnungsrahmen ist die Versuchung für einzelne Länder groß, ihre Währung künstlich schwach zu halten, um sich Wettbewerbsvorteile auf dem Weltmarkt zu verschaffen. Zugleich fehlt es auch an Schutzmechanismen, die verhindern, dass ein Land wegen einer exzessiven Kapitalflucht in tiefes wirtschaftliches Elend versinkt, wie das im Fall Indonesiens besonders deutlich zu beobachten gewesen ist.

Den besten Beitrag zur weltweiten Armutsbekämpfung kann der IWF also dadurch leisten, dass er sich wieder auf seine ursprünglichen Funktionen besinnt. Anstelle des realitätsfremden Trade-off zwischen völlig flexiblen und absolut festen Kursen muss er den Ländern helfen, aus nationaler wie auch aus weltwirtschaftlicher Sicht angemessene Wechselkurspfade zu verfolgen. Die Weltwirtschaft braucht dringend wieder eine funktionsfähige Währungsordnung. Dies gilt für arme Länder noch deutlich mehr als für Industrienationen.

Peter Bofinger (45) ist Wirtschaftsprofessor an der Universität Würzburg