pechluckys tagebuch
: WEIBLICH, RUMPFLOS, JUNG GESUCHT

„Hi there, I’m Ananova!“ Das Geschlecht der Avatare hat weiblichen Nachwuchs bekommen. Der schmalzgelockte Robert T-Online soll schon ganz verrückt nach ihr sein und neulich sogar etwas von Beseelung gefaselt haben. Der neue Web-Liebling Ananova ist die erste virtuelle Nachrichtensprecherin der Welt und eines der wenigen Wesen, die am Tag ihrer Geburt bereits 28 Jahre alt sind. Kein Problem mit digitaler DNA. Unter www.ananova.com kann man dem neuen Cyber-Face begegnen. Über Ähnlichkeiten und Verwandtschaften wird bereits heftig spekuliert: Ist Ananova eine Kreuzung aus Spice-Girl Victoria Adams und Kylie Minogue? Oder eher ein geschmackloser Morph – eine Verschmelzung von Birgit Schrowange und Nina Hagen?

Mit giftgrünen kurzen Haaren, knallroten Lippen und monströs großen Augen ausgestattet, präsentiert Ananova auf ihrer Homepage als animiertes Brustbild die aktuellen Ereignisse des Tages in einer Dauerschleife – und das alles ohne Glotzen auf den Teleprompter, Räuspern und Versprecher. Fehlerfreie Ansagen also, vorausgesetzt, Ananova hat nicht gerade wieder einmal eine Ladehemmung. Das ist aber das geringere Übel, denn wenn sie loslegt, ist das alles andere als ein sinnliches Erlebnis. Mit ihrer scheppernden Stimme landet Ananova im Chor der Avatare mit Sicherheit in der letzten Reihe – da hilft es ihr auch nicht, dass sie wild mit ihren Kuhaugen blinkert oder bei Katastrophenmeldungen ein betroffenes Gesicht aufsetzt.

Und trotzdem: Ananova wird bald den Sprung ins wirkliche Leben – genauer: ins Reality-TV – schaffen. Daran besteht kein Zweifel. Was die 17-jährige Avatussi Kyoto Date konnte, kann Ananova auch. Die japanische Cyber-Schönheit bekam 1996 eine eigene Fernsehsendung und wurde sogar ein erfolgreicher Popstar. Auch Lara Croft war der Job im Computerspiel „Tomb Raider“ zu irreal – sie wollte lieber die echten „Ärzte“ in ihrem Video „Männer sind Schweine“ zur Sau machen. Die Netz-Ansagerin Ananova wird sich auf Dauer genauso wenig mit der virtuellen Welt zufrieden geben und nach einer Karriere im Jetzt und Hier lechzen.

Und, zugegeben: Ihre Ausdauer und ihr außergewöhnliches Äußeres machen sie zur idealen Kandidatin für das „heute-journal“ im ZDF. Dort wird im Moment händeringend nach einem „jungen weiblichen Gesicht“ gesucht. Ein Job, wie geschaffen für die rumpflose Ananova – dass auch Arme und Beine dran sein müssen, wird nämlich nicht verlangt. Schließlich bestehen ja auch fast alle leibhaftigen Moderatorinnen von Nachrichtensendungen lediglich aus Oberkörper – mit Ausnahme der Wetterfrauen, die stehen sich schon mal einen Beinansatz in den Bauch.

Wenn Ananova noch schnell ein Deutschkurs einprogrammiert wird, kann sie locker alle Mitbewerberinnen ausbooten. „Lieber körper- als kopflos“, werden die Verantwortlichen denken, und Ananova – die nie krank wird und nicht in die Maske muss – den Zuschlag geben. Zumal sie ein echtes Schnäppchen ist: Mehr als eine Standleitung und ab und zu ein paar frische Chips kostet sie nun mal nicht. Um zu beweisen, dass sich virtuelle und wirkliche Welt immer mehr durchdringen, könnte daraufhin der in Verruf geratene und auf der Abschussliste des „heute-journals“ stehende Alexander Niemetz Ananovas Posten im Netz übernehmen. Dort hätte er dann absolute Gewerbe- und Beinfreiheit. „Hi, ihr da, ich bin Alex!“ würde weltweit durchs Web wabern – und am Ende: „Einen schönen Abend noch, wo immer sie uns angeklickt haben.“ Vom Server auf den Sender – und umgekehrt! Das wäre so was von interaktiv! JUTTA HEESS

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