Eine Niere verrschwindet aus Honduras

Erstmals haben Behörden konkrete Hinweise auf illegalen Organhandel in dem zentralamerikanischen Land

SAN SALVADOR taz ■ Solch grausige Gerüchte tauchen seit Anfang der Achtzigerjahre in Zentralamerika immer wieder auf: Kriminelle Banden sollen Kinder entführen, um sie auszunehmen und ihre Organe in den USA zu verkaufen. Bislang jedoch wurde kein einziger Fall bewiesen. Jetzt aber hat der honduranische Staatsanwalt Mario Chinchilla, zuständig für organisisertes Verbrechen, eine heiße Spur. Er untersucht den Fall eines Jungen, der vor kurzem entführt wurde und nach einigen Tagen ohne rechte Niere wieder auftauchte.

Der Junge sei in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa in ein Hotel gelockt worden, sagte Chinchilla in der vergangenen Woche. Dort sei er ein paar Tage mit Beruhigungsmitteln und Computer-Spielen ruhig gestellt worden. Offenbar wartete die Bande darauf, an welchem Tag die Niere des Jungen gebraucht wurde. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Kind im selben Hotel operiert und die Niere dann außer Landes gebracht wurde. Dass sie in Honduras verkauft wurde, ist unwahrscheinlich. Die dortigen Krankenhäuser sind nicht für Organverpflanzungen eingerichtet.

Eine Niere außer Landes zu bringen, sagt Chinchilla, sei kein Problem. „Ganze Rinderherden kommen unbemerkt über die Grenze, hunderte von gestohlenen Autos. Warum nicht auch ein Organ?“

Dass es bislang zwar viele Gerüchte, nie aber einen Ermittlungserfolg gab, führt Chinchilla darauf zurück, dass die betroffenen Familien bedroht würden.

Auch der Vater des Kindes ohne rechte Niere sei mit Todesdrohungen vor einer Anzeige gewarnt worden und habe zunächst nicht mit der Staatsanwaltschaft sprechen wollen. Jetzt aber habe man zum ersten Mal eine konkrete Spur und könne voraussichtlich „bald Resultate präsentieren“.

Doch das scheint nicht im Sinne der Regierung zu sein. Die Ermittlungen des Oberstaatsanwalts sei eine „Horrorgeschichte ohne Basis“, sagte Generalstaatsanwalt Roy Edmundo Medina am Mittwoch. Chinchilla werde bestraft. TONI KEPPELER