Autogramm auf Schuhsohlen

Manolo Blahnik kreiert die schönsten Schuhe des Universums. Seine weiblichen Fans lieben die halsbrecherische Eleganz der über 900 Mark teuren Paare, für Madonna dauern sie „länger als Sex“

von NIKE BREYER

„Ich trug einen rotweiß gewebten Baumwollanzug und sah aus wie ein wandelndes Tischtuch. Außerdem konnte ich kaum laufen, weil ich superschicke, aber viel zu kleine viktorianische Schuhe anhatte, die mich umbrachten. Sie muss gedacht haben, ich bin verrückt“, erinnert sich Manolo Blahnik an seine erste, schicksalhafte Begegnung mit Diana Vreeland, der grande dame und Chefredakteurin der amerikanischen Vogue. Auf Empfehlung Paloma Picassos hatte ihr der talentierte, aber nervöse und desorientierte jugendliche Schönling während einer Amerikareise im Jahr 1974 Zeichnungen von sich vorgelegt. Bühnenbildentwürfe, Stillleben und Schuhentwürfe. Vreelands Kommentar – „hm, die Sachen sind großartig. Tun Sie was, junger Mann. Entwerfen Sie Schuhe“ – wurde für Blahnik zum entscheidenden Kick für seine Karriere. Nach Jahren eines genialischen Dilettierens in den Hip-Disziplinen der 60er-Jahre, wie Modeboutique einrichten, fotografieren, Party feiern und modeln, war er durch Vreeland endlich auf das Objekt gestoßen, in dessen Bearbeitung sich seine Talente sinnvoll bündelten.

Mit seiner offenbar angeborenen Liebe zu halsbrecherisch hochgezüchteter Eleganz schuf denn auch der Sohn eines tschechischen Kaufmanns und einer wohlhabenden spanischen Bananenplantagenerbin, der seine Kindheit in der splendid isolation einer Kanarischen Insel verbracht hatte, in den folgenden fünfundzwanzig Jahren einen der begehrtesten brand names der internationalen Modeszene.

Zunächst aber brachen die Entwürfe Blahniks für den Modedesigner Ossie Clark den Models auf dem Laufsteg fast das Genick, nachdem sich deren wahnwitzige Kreppgummiplateausohlen beim Laufen überraschend zu einer klebrigen Masse verformten und sich vom Oberteil selbstständig machten – wie das einem Autodidakten eben so passiert. Für jeden anderen hätte dies das Karriere-Aus bedeutet; einem Manolo Blahnik wurde das Malheur jedoch verziehen, weil Style und Charme seiner Persönlichkeit und seiner Kreativität das hyperkritische Fashion-Publikum erfolgreich unterhielten und die Frauen hinrissen.

Blahniks Modelle zeigen damals wie heute hundertprozentigen modischen Appeal. Trotzdem sind sie von aktuellen Trends kaum geprägt und vielmehr Manifestationen seines persönlichen Geschmacks – des besten der Welt, wie er frei von Selbstzweifeln erklärt. Der große Durchbruch kam in den 90er-Jahren, als Blahnik dank der Zusammenarbeit mit zwei engagierten jungen Vertriebspartnern in Amerika internationale Berühmtheit erlangte.

Die Begeisterung trägt heute popstarhafte Züge, wenn sich seine Verehrerinnen von ihm Autogramme auf die Schuhsohle malen lassen, während Blahnik zweimal im Jahr seine institutionalisierte Rundreise durch seine Boutiquen unternimmt. Bis zu zehn, manchmal zwanzig Paar kaufen die herbeiströmenden Ladys trotz Preisen von 900 Mark aufwärts, manche sogar zwei vom selben Modell, um das eine zu tragen und das andere als Fetisch der Bewunderung unberührt zu konservieren. Dass die Mode derzeit großmaßstäblich auf die Highheel-Eleganz eines Blahnik einschwenkt, ist nett für ihn, aber trendmäßig kaum von Belang, konsumieren seine Kundinnen die Kreationen doch zuallererst als upgrading ihrer Weiblichkeit. „Wundervoll“, bezeugt etwa Popstar Madonna ihre Bewunderung, „und sie dauern länger als Sex.“

Der Genuss, den der soeben erschienene wunderschöne Bildband des britischen Modehistorikers Collin McDowell über den größten Schuhkünstler der Gegenwart bietet, dauert bei merklich reduzierten Kosten möglicherweise noch länger – als ein Paar seiner hauchdünnsohligen Kunstwerke aus Perlen und Federn, Muscheln, Pelz und Strass.

Collin McDowell, „Manolo Blahnik“, Verlag Cassel & Co., London 2000, 35 £