Kamerun findet seine Verschwundenen

Nahe der Millionenstadt Duala haben Journalisten 36 Leichen in einem Massengrab entdeckt, und es werden noch mehr Tote dort vermutet. Der Bischof der Stadt wirft den Sicherheitskräften über 500 extralegale Hinrichtungen vor

BERLIN taz ■ Erst waren es sechs Leichen, dann 36. Inzwischen ist von über 100 Toten die Rede, die in der Nähe des Flughafens von Kameruns Wirtschaftsmetropole Duala in einem Massengrab liegen sollen. Lokale Journalisten fanden die ersten Toten Ende vergangener Woche. Anwohner sagten der Nachrichtenagentur AP, Männer in Zivil hätten vor einem Monat mehrere Tage und Nächte lang etwa 100 Leichen vergraben. Sie lägen unter denen, die jetzt gefunden wurden.

Der schaurige Fund bestätigt Vorwürfe, die der katholische Erzboschif von Duala, Christian Tumi, Anfang Oktober in einem Interview mit der französischen Zeitschrift Jeune Afrique Economie erhoben hatte: „Über 500 Menschen sind in Duala Opfer summarischer Hinrichtungen geworden“, sagte der 70-jährige Kardinal, einer der respektiertesten katholischen Geistlichen Afrikas. „Es scheint sogar Massengräber zu geben.“

Als Verantwortliche nannte Tumi das „Operationelle Kommando“, eine im Februar vom Präsidenten gegründete Sondereinheit von Polizei und Armee zum Kampf gegen Kriminalität in der Millionenstadt Duala. Die Sondereinheit wurde nach einer Serie besonders dreister Überfälle schwer bewaffneter Krimineller ins Leben gerufen. Sie soll vor dem für Januar geplanten franko-afrikanischen Staatengipfel in Kamerun die explodierende Gewaltkriminalität eindämmen.

Die Unsicherheit in Kamerun wird von unabhängigen Beobachtern allerdings auch der gewaltsamen Austragung von Mafiastreitereien zugeschrieben – Kamerun gilt zusammen mit Nigeria als eines der korruptesten Länder der Welt, und zahlreiche dubiose private Sicherheitsfirmen treiben in dem Land ihr Unwesen. Vor kurzem tauchte eine Lieferung hoch moderner israelischer Waffen für Kameruns Präsidialgarde bei Verbrecherbanden auf. Tumi sagte in seinem Interview, viele Mitglieder der Sicherheitskräfte seien „Diebe, die man in den Dörfern aufsammelt, um sie in die Armee und Polizei zu integrieren“.

Das „Operationelle Kommando“, dessen Opfer jetzt offenbar in Duala auftauchen, ist die Neuauflage einer Einheit, die schon bei der gewaltsamen Niederschlagung von Kameruns Demokratiebewegung 1991–92 viele Menschen tötete. Ihre Wiederauferstehung fällt zusammen mit dem Erstarken militanter Separatisten im anglophonen Südwesten Kameruns, in dem auch Duala liegt. Der „Südkamerunische Nationalkongress“ (SCNC), der eine Abspaltung dieser an Nigeria angrenzenden Region fordert, beklagt jetzt in seinen Reihen zahlreiche Folteropfer und Verschwundene.

Schon bei Armeekampagnen gegen Straßenräuber im Norden Kameruns 1998 wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 300 Menschen extralegal hingerichtet. Im September wurde Jacques Tchiko, Unterdirektor der kamerunischen Kriminalpolizei, wegen „Folter mit Todesfolge“ entlassen, nachdem ein bekannter Geschäftsmann in seinem Gewahrsam starb.

DOMINIC JOHNSON