Warte, warte noch ein Weilchen . . .

Monopoly an Rhein und Ruhr: Später als geplant wird die „Süddeutsche Zeitung“ in Nordrhein-Westfalen erscheinen, weil sich die ansässigen Verlage quer stellen. Bis zum 1. Januar 2002 müssen die Bayern in NRW einen eigenen Vertrieb aufbauen

aus Köln SEBASTIAN SEDLMAYR

Der Start der Süddeutschen Zeitung (SZ) in Nordrhein-Westfalen verzögert sich um mindestens zwei Monate. Nicht wie geplant im Spätherbst, sondern erst „Anfang nächsten Jahres“ seien die neuen Regionalseiten für NRW zu erwarten, sagte SZ-Geschäftsführer Hans Wilhelm von Viereck der taz. Ein genaues Datum wollte er noch nicht nennen. Der Grund für die Verschiebung: Die SZ steht ab 1. Januar 2002 ohne Vertriebspartner im bevölkerungsreichsten Bundesland da.

Das Vorhaben der SZ, einen täglichen Regionalteil auf den als lukrativ geltenden NRW-Markt zu werfen, verkompliziert sich: Die Bayern sind auf eine nicht erwartete knallharte Abwehrstrategie der ansässigen Zeitungsverlage gestoßen. In einer konzertierten Aktion haben die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), die Rheinische Post (RP), der Düsseldorfer Girardet-Verlag (Westdeutsche Zeitung) und der Kölner Verlag M. DuMont Schauberg (Kölner Stadt-Anzeiger, Kölnische Rundschau, Express) zum Ende des Jahres die Zustellverträge gekündigt. „Wir werden der SZ durch einen Huckepack-Vetrieb keinen Wettbewerbsvorteil verschaffen“, begründete RP-Chefredakteur Ulrich Reitz die Entscheidung seines Hauses. Schließlich werde die SZ mit ihrer NRW-Ausgabe sowohl journalistisch als auch auf dem Anzeigenmarkt zu einem unmittelbaren Wettbewerber.

Und der fühlt sich ungerecht behandelt. „Wir wollen keine Konkurrenz sein, sondern Zweitzeitung“, beharrt von Viereck. Das Konzept: landesweit interessante Themen in längeren Texten. Damit hoffen die Münchner, von ihren heute 31.000 Exemplaren in NRW zu den überregionalen Konkurrenten Frankfurter Allgemeinen Zeitung (91.000 Exemplare) und Welt (51.000 Exemplare) aufschließen zu können. Jährlich sollten dafür 15 Millionen Mark investiert werden.

Doch jetzt wird’s wohl noch teurer: Geschockt über die verbaute NRW-Vertriebslandschaft laufen in München heiße Debatten, wie der Westableger künftig frühmorgens in die Briefkästen der Abonnenten gelangen soll. SZ-Vertriebsleiter Daniel Oster kündigte an, man werde ein eigenes Vertriebsnetz schaffen. Geschäftsführer von Viereck will dafür zusätzliche ein bis zwei Millionen Mark jährlich zur Verfügung stellen. Doch diese Summe gilt unter Fachleuten als keinesfalls ausreichend, um auch abgelegenere Landstriche zwischen Rhein und Weser bedienen zu können.

Von Viereck betont nun, dass die redaktionelle Arbeit nicht unter der veränderten Situation leiden soll – auch wenn die Nullnummer auf nächstes Jahr verschoben werden muss. Bernd Baldzuhn, beim SZ-Verlag für die Finanzen zuständig, schränkt allerdings ein: Das Motto sei nicht „Koste es, was es wolle“. Wie der NRW-Teil letztendlich aussehen wird, sei davon abhängig, „was verlegerisch und redaktionell machbar ist“.

Weniger Probleme hat die SZ bei der Rekrutierung des Personals für ihre NRW-Beilage. Laut Hans-Jörg Heims, Leiter der SZ-„Redaktion Rhein-Ruhr“, sind über 150 Bewerbungen im Düsseldorfer Büro eingegangen – ohne dass es überhaupt eine Stellenausschreibung gegeben hat. Aus allen großen Redaktionen des Landes hätten sich Wechselwillige gemeldet. Mit rund 40 Bewerbern seien Gespräche geführt worden, so Heims. Inzwischen haben der bisherige NRW-Korrespondent und sein Koredaktionsleiter Joachim Blum, der zuvor als stellvertretender Chefredakteur bei der Neuen Westfälischen in Bielefeld arbeitete, ihr Team fast zusammen. Für 11 der 16 geplanten redaktionellen Stellen sind die Arbeitsverträge bereits unterzeichnet. Unter anderen wechseln Claudia Fromme vom Focus, Andreas Wilink von der Westdeutschen Zeitung und Johannes Nitschmann von der Woche zur NRW-SZ. Auch die restlichen fünf Redakteure sind nach Auskunft Heims’ bereits ausgesucht. Nieten gezogen haben hingegen die Bewerber der Kölner DuMont-Blätter: Aus der Domstadt sei kein Journalist mit an Bord, da sie eine zu starke lokale Orientierung hätten und es ihnen schwer falle, „den Bogen über ganz Nordrhein-Westfalen zu spannen“, so Heims zur taz. Die NRW-Verlage sollten außerdem froh über solche Zurückhaltung seines Blattes ein: „Wenn wir ausschließlich Journalisten aus NRW an Bord geholt hätten, hätten einige Zeitungen demnächst Schwierigkeiten bekommen.“ Denn: „Viele der guten Leute von Kölner Stadt-Anzeiger, WAZ, Rheinischer Post und NRZ wollten zu uns.“

Die Vertriebskündigungen beschäftigen mittlerweile auch den nordrhein-westfälischen Landtag. Oliver Keymis, medienpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, kritisierte das Verhalten der Verleger an Rhein und Ruhr scharf: Während sie bei der Diskussion um Lokalfunk und Ballungsraumfernsehen stets jegliche Monopolgefahr bestritten, ließen die Verleger nun ihre „Monopolmuskeln“ spielen, um unliebsame Printkonkurrenz zu behindern. Keymis: „Hier gilt wohl in Anlehnung an einen bekannten Fassbinder-Titel: ‚Angst essen Freiheit auf‘.“