Kritik von ganz oben an Algeriens Polizei

Eine Regierungskommission verurteilt das brutale Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Berber in Algerien

BERLIN taz ■ Ungerechtfertigte Gewaltanwendung und eigenmächtiges Vorgehen wirft ein am Samstag vorgestellter Untersuchungsbericht der paramilitärischen Polizei in Algerien vor. Diese Sicherheitskräfte waren brutal gegen die Mitte April entflammten Proteste von kabylischen Berbern vorgegangen. Bei den nachfolgenden Protesten, die sich auf das ganze Land ausweiteten, starben laut der britischen BBC mindestens 80 Menschen, hunderte wurden verletzt.

Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika hatte Ende April höchstpersönlich eine Kommission eingesetzt, die die blutigen Ausschreitungen zwischen Demonstranten und Polizeikräften in der nordalgerischen Region Kabylei, in der überwiegend Berber leben, untersuchen sollte. Einerseits versprach Bouteflika eine lückenlose und transparente Aufklärung, andererseits machte er pauschal „extremistische Gruppen inner- und außerhalb des Landes“ für die Gewalt verantwortlich. Algerier und französische Menschenrechtsgruppen hatten deshalb eine internationale Untersuchungskommission gefordert. Sie befürchten, die Kommission werde zu einem Ergebnis kommen, das die übliche Linie der Regierung in Algier propagiert: Vertuschung von Übergriffen durch Polizei und Militär, pauschale Verurteilung von Demonstranten als Gewalttäter.

Doch der jetzige Bericht scheint nicht fern jeder Objektivität zu sein. Eine kurze Zusammenfassung wurde im algerischen Fernsehen gezeigt, ausführlichere Versionen erschienen am Samstag in zahlreichen Zeitungen Algiers. Der Report bestätigt die von Demonstranten an die paramilitärische Polizei gerichteten Vorwürfe. Die Sicherheitskräfte seien zu hart und unangemessen gegen die zunächst friedlichen Proteste vorgegangen. Lokale Polizeichefs hätten Anweisungen ihrer Vorgesetzten in Algier ignoriert, als sie den Einsatz von scharfer Munition gegen die demonstrierenden Berber befahlen, heißt es in dem Bericht weiter.

Ein Fernsehkommentator sagte, die Offenlegung dieser Fakten erfülle voll und ganz Bouteflikas Versprechen, die Gewaltanwendungen aufzuklären. Die dahinterstehende Strategie erscheint offensichtlich: Den Polizei-Schergen vor Ort soll die Schuld zugeschoben werden, während die Regierung in Algier als unbeteiligt dargestellt wird.

Hunderttausende von unzufriedenen Algeriern haben sich mittlerweile dem Protest der Berber angeschlossen und fordern demokratische Freiheiten, Arbeit, Wohnungen und Korruptionsbekämpfung.

FLORIAN HARMS