Starthilfe für Agni?

Initiativenverband stellt Anzeige gegen bayerische Firma, die illegal Bauteile für Atomraketenrampen nach Indien geliefert haben soll

BERLIN taz ■ Wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Bundesaußenwirtschaftsgesetz hat der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) Strafanzeige gegen das Hydraulikzylinderwerk der „Walter Hunger KG“ im fränkischen Lohr gestellt. Die Firma im Raum Würzburg wird verdächtigt, Hydraulikzylinder im Wert von rund 200.000 Mark für mobile Abschussanlagen der indischen Mittelstreckenrakete „Agni“ illegal geliefert zu haben. Die Staatsanwaltschaft in Würzburg bestätigte gestern auf Anfrage einen Bericht der Wochenzeitung Die Woche, wonach gegen das Unternehmen ermittelt wird.

Die 21 Meter lange „Agni“-Rakete ist der ganze Stolz der Atommacht Indien. Sie kann mit atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Angaben westlicher Geheimdienste zufolge ist die Rakete bislang zweimal getestet worden.

Der Staatsanwaltschaft zufolge soll das Werk mit der Ausfuhr gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßen haben. Die Firma habe sich die Genehmigung dafür mittels falscher Angaben verschafft. Sie habe behauptet, die acht Hydraulikanlagen seien für Brückenlegefahrzeuge vorgesehen. Firma und Privatwohnung des Firmenbesitzers wurden der Anklagebehörde zufolge vor drei Wochen durchsucht. Dabei sei umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. Ob und wann Anklage erhoben wird, sei aber noch offen.

Die Firma wehrt sich gegen die Vorwürfe und bleibt bei ihrer Darstellung. „Nach unserem Kenntnisstand“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung, „waren die von uns gelieferten Güter für Brückenlegegeräte bestimmt“. Der Verdacht, „unser Unternehmen habe in irgendeiner Form wissentlich an einem indischen Raketenprogramm mitgewirkt, ist evident unzutreffend“. Erst aus Anlass des Ermittlungsverfahrens habe die Firma davon erfahren, „dass Erkenntnisse des Bundesnachrichtendienstes vorliegen sollen, denen zufolge die von uns gelieferten Güter in Indien möglicherweise einem anderen Verwendungszweck zugeführt worden sein könnten“. Das Unternehmen gehe davon aus, dass es bei diesen Erkenntnissen um „Vermutungen“ handele, aus denen BND und Ermittlungsbehörden dann „Schlussfolgerungen über mögliche Verwendungszwecke – eventuell auch innerhalb der Konstruktion einer Startrampe für eine Rakete – gezogen haben“.

Laut den Angaben der Woche soll die „Agni“-Mittelstreckenrakete bereits im nächsten Jahr in Indien in Dienst gestellt werden. Sie könne ein Gewicht von bis zu 1.000 Kilogramm über eine Strecke von 2.000 Kilometern tragen. Damit stellt die Rakete eine Bedrohung für die Nachbarstaaten Pakistan und China dar.

Wie der BBU in seiner Strafanzeige weiter ausführt, soll in den vergangenen Jahren bei der Firma Hunger auch „zu gravierenden Nichteinhaltungen von gesetzlichen Bestimmungen des Umweltschutzes“ gekommen sein. Der BBU vermutet Boden- und Grundwasserverunreinigungen, die im Rahmen einer „Gesamtbeurteilung“ des Unternehmens von Bedeutung sein könnten. WOLFGANG GAST