Die Welten des Islams

Eine junge Zeitschrift berichtet über den Orient, ohne die islamische Welt verzerrt darzustellen, wie in den deutschen Medien üblich. „Zenith“ widersetzt sich dem Trend der Pauschalisierung

von FLORIAN HARMS

Urteile über die islamische Welt gibt es unzählige, Vorurteile erst recht. Fast täglich finden sich in deutschen Medien Ausführungen angeblicher Experten, die vorgeben, ein „authentisches“ Bild „des Islams“ oder „der Muslime“ wiederzugeben, und doch in jedem dritten Satz sprachlich oder inhaltlich in altbekannte Ressentiments verfallen. Dieser selbstherrlich-eurozentristische Blickwinkel ist ein Relikt des historischen Kolonialismus.

Da durfte der selbst ernannte Experte Peter Scholl-Latour in der ZDF-Talkshow „Maybrit Illner“ vor ein paar Wochen über muslimische Immigranten in Deutschland pauschalisieren. Und der ebenfalls anwesende Bundesinnenminister war ebenso wenig in der Lage, den Schwadroneur zu stoppen wie die Moderatorin.

Dies ist nur ein Beispiel für die wieder erstarkende tendenziöse Berichterstattung über die islamische Welt, aber es verdeutlicht, dass der Kampf für einen objektiven Journalismus im Bezug auf die Anhänger der weltweit zweitgrößten Religion noch nicht gewonnen ist.

Angesichts dessen erlangen Publikationen, die nicht dem allgemeinen Pauschalismus verfallen, besondere Bedeutung. Zenith gehört dazu. Fern jeder elitären Attitüde schafft es diese junge „Zeitschrift für den Orient“, die Lücke zwischen modernen Lifestyle-Magazinen wie Geo und wissenschaftlichen Fachjournalen zu füllen. Jetzt kann man das von Hamburger Studenten im Frühling 1999 gegründete Blatt auch deutschlandweit beziehen.

Zenith legt einen Schwerpunkt auf wenig beachtete Themen aus den Ländern zwischen Mauretanien und Pakistan. Ausdrucksstarke Reisereportagen über die Tuareg in der Sahara oder ägyptische Oasenbewohner stehen neben Analysen des Pressewesens in Algerien und fachkundigen Beschreibungen orientalischer Weine. Ausgewogene Berichte über den Nahostkonflikt oder die Sanktionen gegen den Irak sind selbstverständlich. Lässliche Fehler wie der stellenweise umständliche Sprachstil und das eine oder andere unkritische Interview verblassen neben offenkundigen Qualitäten wie den gesammelten Personalia aus der islamischen Welt und dem Mut, sich auch an komplexe Themen heranzutrauen.

Mit fünf Mark ist die bisher vierteljährlich erscheinende Zeitschrift für jeden erschwinglich, der sich mit der mangelhaften Berichterstattung über die islamische Welt nicht abfinden will, aber vor dem Griff zum Fachjournal zurückschreckt. Zenith ist anders. Und uneingeschränkt zu empfehlen.

Die Zeitschrift malt ein differenzierteres Bild, als viele andere westliche Medien es tun: dass „der Islam“ per se nicht in der Lage sei, eine tolerante, menschenwürdige Obrigkeit zu ermöglichen. Mit einseitigem Credo: Wollen Muslime eine Chance haben, sich in der Moderne zu behaupten, müssen sie sich den Werten des Westens anpassen. Die islamische Welt wird nach wie vor als Gegenmodell zur „aufgeklärten“ westlichen Welt begriffen und, spätestens seit Beginn der palästinensischen Al-Aksa-Intifada vergangenen September, leider auch wieder so dargestellt.

Die in deutsche Wohnzimmer gezoomten Texte und Fernsehbilder eines anscheinend irrationalen, weil vordergründig religiös motivierten Konflikts vernebeln den kritischen Blick. Das Phänomen erstreckt sich auf die mediale Behandlung aller islamischen Themen: Radikale palästinensische Aktivisten und demonstrierende Berber in Algerien landen so im Kopf des Betrachters in einem Topf. Und pauschale Urteile über die Gesellschaftssysteme von Muslimen sind in vielen Artikeln, Fernseh- und Radiobeiträgen üblich.

Es gibt eben nicht „den“ Islam, sondern allenfalls verschiedene Erscheinungsformen des Islams. Der Hamburger Islamwissenschaftler und ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Gernot Rotter hat die unterschiedlichen Strömungen einmal „Die Welten des Islams“ genannt. Er lag damit sicher nicht falsch.