Die Nato in Mazedonien ante portas

Mit der Zustimmung der UÇK zu einem Entwaffnungsplan wird der Einsatz von Nato-Truppen in Mazedonien immer wahrscheinlicher. Experten vor Ort drängen auf einen schnellen Beginn der Aktion, um weitere Kämpfe zu verhindern

von ERICH RATHFELDER

„Wenn erst die politische Entscheidung für den Nato-Einsatz in Mazedonien getroffen ist, werden die Nato-Truppen sehr schnell kommen“, sagt Hauptmann Werner Eger, einer der Sprecher im bisherigen Nato-Hauptquartier in Skopje. Die Vorbereitungen seien angelaufen. Das Vorauskommando könnte schon am heutigen Donnerstag oder am Freitag in Skopje eintreffen.

Die Militärs haben schon Monate für den Tag X geplant. Teile der im Kosovo stationierten Truppen der Nato-Staaten wurden auf den Einsatz vorbereitet und werden zuerst nach Mazedonien einrücken. Erst dann werden weitere Truppen aus den jeweiligen Herkunftsländern in die Krisenregion geschickt. Insgesamt 3.500 Soldaten werden nach Mazedonien kommen, darunter 500 deutsche. Den Oberbefehl werden die Briten übernehmen. Die bisher schon in Mazedonien stationierten Nato-Truppen, die seit Sommer 1999 für den Nachschub und die Versorgung der KFOR-Truppen im Kosovo zuständig sind, werden zunächst unter dem gleichen Mandat weitermachen. Die neuen Truppen sind an das Mandat gebunden, das das Abkommen von Ohrid festgelegt. Dies besagt vordringlich, die UÇK zu entwaffnen.

Da die UÇK am Dienstagabend dem Entwaffnungsplan zugestimmt und ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet hatte, ist eine der wichtigsten Vorbedingungen für den Einsatz der Nato erfüllt worden. Die UÇK stimmte zu, nachdem der mazedonische Präsident Boris Trajkovski eine Amnestie für die Rebellen zugesichert habe, meldete die Nachrichtenagentur Reuters. Von der Amnestie ausgenommen werden sollen nur jene Kämpfer, denen das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachweisen kann. Die UÇK besteht aber darauf, dass binnen 45 Tagen die Bestimmungen des Abkommens von Ohrid umgesetzt werden. Erst dann will sie alle Waffen abgeben.

Noch ist die Meinung über den Nato-Einsatz in Mazedonien in den Hauptstädten der Nato-Staaten geteilt, denn jetzt ist schon klar, dass das Engagement nicht auf die angepeilten 30 Tage begrenzt werden kann. Viele Experten und vor allem die Nato-Vertreter vor Ort drängen darauf, die Aktion so schnell wie möglich durchzuführen, um dem Friedensprozess eine Chance zu geben. „Sollte die Nato den Einsatz verzögern, droht ein erneutes Aufflammen der Kämpfe“, erklärte ein hoher OSZE-Diplomat in Skopje, der zu einem schnellen Einsatz rät. Andere Experten jedoch warnen davor. Die Lage in Mazedonien sei nach wie vor gefährlich, die Nato könnte zwischen die Fronten geraten und ihre eigenen Soldaten gefährden. Zudem bestünden in der slawischen Bevölkerung tiefe Vorbehalte gegenüber der Nato und dem Westen.

Umgekehrt wollen die albanischen Mazedonier die Nato-Truppen im Land. Indem die Nato gezwungen sei, westliche demokratische Standards durchzusetzen, könnte sie Polizeiwillkür nicht dulden und müsste auf der Umsetzung des Abkommens von Ohrid bestehen, das den Albanern mehr Rechte im Staate einräumt, hoffen Politiker wie Arben Xhaferi, Chef der Demokratischen Partei der Albaner.

Nach letzten Informationen scheint sich die Waage hin zum schnellen Einmarsch der Nato in Mazedonien zu neigen. Gelänge die Entwaffnungsaktion der UÇK und die Umsetzung des Abkommens von Ohrid, hätte die Nato nicht nur einen Krieg verhindert, sondern dazu beigetragen, einen Friedens- und Versöhnungsprozess einzuleiten. Und das – darin sind sich viele Experten einig – wäre für die Militärorganisation ein großer Erfolg und hülfe, deren Legitimationskrise zu überwinden.