ein bild geht um die welt
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von RALF SOTSCHECK

Irland ist eine Insel voller Traditionen. Eine davon ist der Diebstahl der Gemäldesammlung von Alfred Beit. In regelmäßigen Abständen werden die Bilder aus dem Russborough House, dem Sitz der Beit-Familie nahe Dublin, entwendet und tauchen später wieder auf. Die meistens jedenfalls.

Zuerst war es die IRA, die sich in den Siebzigerjahren in dem für sie neuen Metier des Kunstraubs versuchte. Unter Leitung von Rose Dugdale, einer englischen Ärztin, stieg eine IRA-Einheit in das Landhaus ein und suchte sich die wertvollsten Stücke aus. Die Untergrundkämpfer konnten sich nicht lange daran erfreuen, die Polizei nahm Dugdale fest und stellte die Gemälde sicher.

Danach hingen sie eine erstaunlich lange Zeit im Russborough House, bis Dublins Unterweltkönig Martin Cahill, genannt „der General“, 1986 mit seiner Bande einbrach und mit denselben Bildern verschwand, die der IRA ebenfalls gefallen hatten. Auch diesmal bekam Alfred Beit seine Bilder zurück. Die Kuriere, die die heiße Ware aus dem Land transportiert hatten, wurden mit den Kunstwerken im Gepäck in London, Belgien und in der Türkei festgenommen. Lediglich drei Gemälde – ein Rubens und zwei Guardi – blieben verschwunden, weil der General sie als Altersversicherung behalten hatte.

Das war unnötig. Der General, der seine Feinde manchmal auf die Straße nagelte und vor Gericht stets mit Mickymaus-Maske auftrat, wurde vor ein paar Jahren von der IRA erschossen, weil er Waffengeschäfte mit nordirischen Loyalisten gemacht hatte. Sein Leben wurde in Hollywood gleich zwei Mal verfilmt.

Bis auf den Rubens und die beiden Guardi wanderten die anderen Gemälde wieder an ihren vorübergehenden Platz im Russborough House. Vor kurzem wurden sie abermals gestohlen. Diesmal wird es jedoch nicht so leicht sein, sie zurückzubeschaffen, denn TommyCoyle, der Dieb, ist inzwischen tot. Das irische Satire-Magazin Phoenix hat herausgefunden, dass Coyle ein meisterhaftes Doppelspiel zwischen Dieben, Polizei, Versicherungsgesellschaften, Hehlern und Kopfgeldjägern betrieben hatte, ohne dass ihm jemand auf die Schliche gekommen wäre. Er wurde ein reicher Mann, da er nicht nur bei Beit, sondern auch bei vielen anderen Kunstdiebstählen und Wiederbeschaffungen seine Finger im Spiel hatte.

Kurz vor seinem Tod versuchte er, den Rubens und die beiden Guardi aus der Hinterlassenschaft des Generals gegen ein Lösegeld an die Versicherung zurückzugeben. Er hatte ein Foto der Gemälde, auf dem auch eine aktuelle Tageszeitung abgebildet war, auf der Toilette einer Kneipe hinterlegt. Coyle sollte mindestens 100.000 Pfund kassieren, doch sein Tod kam ihm dazwischen. Er war der einzige, der das Versteck der Bilder kannte.

Wenn Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, zufällig eins der Gemälde in die Hände fällt, schicken Sie es Alfred Beit. Sein Haus kennt in Irland inzwischen jeder. Künftige Generationen von Kunsträubern sollen sich doch am Russborough House auch noch erfreuen können, damit wenigstens diese Tradition erhalten bleibt.