Noch 60 Tage bis zum Euro
: taz-Serie über unser neues Geld

Portugiesische Euro-Predigt

„Der Euro kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.“ Nein, so ist der Satz falsch. Es muss vielmehr heißen: „Der Euro kommt sicher mit dem Amen in der Kirche.“ Zumindest in Portugal ist das so.

Dort hat die nationale Kommission zur Einführung der neuen Währung für ihre Arbeit gerade mal neun Millionen Mark zur Verfügung. Da bleibt für die Aufklärung der Bevölkerung vor Ort kein müder Cent. Doch Not machterfinderisch: Um dennoch den Bürgern das neue Geld zu erkären, müssen seit vergangenem Sommer die Pfarrer ran. Sie sollen den Gläubigen den Euro näher bringen. Diese ungewöhnliche Kampagne geht auf eine Einigung des Finanz- und des Wirtschaftsministeriums mit der Bischofskonferenz zurück.

Die „Evangelisation des Euro“ nimmt ihren Lauf. Portugal zählt 3.000 Priester in 4.365 Kirchengemeinden. Sonntag für Sonntag zücken viele Gemeindeseelsorger nach der Messe den Geldbeutel. Sie zaubern Probedrucke der verschiedenen Euroscheine heraus.

Die Gläubigen schauen staunend zu und dürfen auch schon mal anfassen, während der Gemeindehirte seinen Vortrag über den Wert und den Nutzen der neuen Gemeinschaftswährung hält. Um das Gelernte zu vertiefen, gibt es bunte Prospekte mit nach Hause. Doch hier hört die Arbeit der Seelsorger noch längst nicht auf. Sie halten auch die Geschäfte dazu an, die Produkte bereits jetzt – wie von Brüssel angeordnet – in Euro auszuzeichnen.

Der ungewöhnliche „Hirtenbrief“ im Auftrag des Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Willem Frederik Duisenberg, erreicht so auch die letzten Winkel des Landes an der Algarve. Vor allem in den abgeschiedenen ländlichen Gegenden ist die Arbeit der Priester von aller größter Wichtigkeit. Die Jungen haben die Dörfer verlassen. Zurück blieben nur die Alten. Viele von ihnen haben ihre Heimatregion nie verlassen. So mancher ist gar Analphabet.

Diese einfachen Leute sind ein gefundenes Fressen für Betrüger: An mehreren Orten sind bereits gefälschte Euroscheine aufgetaucht. Vermeintliche Bankangestellte oder Ministeriumsmitarbeiter haben sie den Leuten aufgeschwätzt und dafür die ersparten Escudos eingesteckt. Die wichtigste Nachricht der Europredigt lautet deshalb: „Du sollst nicht vor dem 1. Januar tauschen.“

Nach dem Stichtag werden dann auch die Priester selbst sehen, ob ihre Predigten verstanden wurden. Denn dann klimpern die Euro erstmals auch im Klingelbeutel hoffentlich echte und nicht die, die einfallsreiche Betrüger bis dahin unters Volk gebracht haben.

REINER WANDLER