Vorsicht, Weihnachten!

Muskat, Nelken, Zimt etc.: Exzesse mit Gewürzdrogen führen zu Trugbildern und heiteren Delirien

Die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren in Kiel hat gestern nochmals vor den Gefahren des Weihnachtsfests gewarnt. Eindringlich wurden die Bundesbürger aufgefordert, auf den Genuss suchterzeugender Substanzen zu verzichten.

Vor allem der leichtsinnige Griff ins Gewürzregal könne unabsehbare Folgen zeitigen und den ahnungslosen Konsumenten in Konflikt mit dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) bringen. Von jedem übermäßigen Verzehr von Zimtsternen, Pfefferkuchen, Anistalern, Ingwerplätzchen, Spekulatius und Schokoweihnachtsmännern sei abzuraten. Beim unkontrollierten Mischkonsum mit Glühwein, Punsch und Bowle, mit Karpfen, Gans und Truthahn wirke, so die DHS-Mitteilung, ein „multitoxikomanisches Geschehen im menschlichen Organismus unberechenbar und unheilvoll zusammen“.

In einer stofflichen Expertise („Wirkung und Pharmakokinese von psychoaktiven Jahresend-Halluzinogenen“) unterzogen die Kieler Weihnachtsforscher die beliebtesten Festdrogen einer detaillierten Analyse. Ergebnis: Bei chronischem Konsum weihnachtlicher Spezereien könne es zu abnormen, rauschhaften Verwirrtheitszuständen mit kardiovaskulärer Beteiligung, Muskelschmerzen und Übelkeit bis hin zum Erbrechen kommen.

Beispiel Safran: Der aus den Blütenfäden des Krokus extrahierte Farbstoff ist nicht nur Aromaspender, sondern bekanntlich eine den Opiaten vergleichbare Droge, mit schmerzstillender und krampflösender Wirkung. Die Forscher berichten von einem „euphorisierenden Kick“ mit „heiteren Delirien“. Beispiel Zimt: Schon in den Dreißigerjahren wurden Zimtzigaretten wie Marihuana geraucht. Auch die Wirkung ist vergleichbar. Hohe Dosen führen zu krampfähnlichen Effekten.

Beispiel Ingwer: Beim Verzehr treten ab siebzig Milligramm erste psychoaktive Effekte auf. Typische Opiatwirkungen wurden beobachtet. Ingwer wirkt sedierend, antitussiv und verzögert die Darmperistaltik. Beispiel Schokolade: Das beliebte Vielstoffgemisch mit kräftigen Kakaoanteilen aktiviert cannabinoide Rezeptoren, putscht den Organismus auf und setzt im Hirn den Neurotransmitter und Glücklichmacher Serotonin frei.

Aber auch Muskat, Pfeffer, Anis oder Nelken sind Rauschdrogen von beachtlicher Potenz, die in höher dosierter Einnahme zur physischen Abhängigkeit führen können. Nelken werden bekanntlich als Ersatzdroge zur Entwöhnung bei Nikotinabusus eingesetzt.

In den Vernehmungsprotokollen ärztlicher und polizeilicher Notdienste der vergangenen Jahre finden sich zahlreiche Belege für drogeninduzierte Weihnachtspsychosen. Die Leuchtkraft der auftretenden Farbvisionen und die Eindringlichkeit der optischen Trugwahrnehmungen sind hinlänglich dokumentiert. So sahen manche User einen großen Stern aufgehen, andere berichteten von geflügelten blondierten Wesen auf Tannenspitzen oder auch von schlittenartigen Ufos, an welche Elche, Hirsche und Rentiere gespannt waren. Immer wieder wurden rotgewandete Greise mit üppigem Bart, Rute und Jutesack gesichtet, die ihr Erbe verschenkten. Auch elektrisch aufgeladene Fichten sowie göttliche Kleinkinder in Futterraufen wurden halluziniert.

Im fortgesetzten Rauschgeschehen treten akustische Phänomene auf. Häufig sind das repetitive Psalmodieren altertümlicher Formeln mit deutlich päderastischer Färbung („holder Knabe mit lockigem Haar“, „Ihr Kinderlein, kommet“), begleitet von einer gesteigerten sexuellen Begierde („von einer Jungfrau auserkor’n“). Die insgesamt emotional enthemmte Atmosphäre nach dem Drogenkonsum entlädt sich in ekstatischen Gesängen und Litaneien.

Das gesamte Wahngeschehen ist eingebettet in ein aufwendiges Setting, das mit erheblichen forstwirtschaftlichen Schäden einhergeht. Junge Nadelgehölze werden gerodet, um daran glitzernde Metallstreifen und psychedelische Kugeln zu arretieren. Nicht selten wird dann noch mit offenem Feuer hantiert. Es werden Kerzen angezündet, die nach Angaben der Münchner Rück gewaltige Feuerschäden verursachen können. Noch Monate nach Absetzen der Weihnachtsdrogen kann es zum so genannten Nachrausch („Flashback“) kommen. Meist wird dann von Säugetieren (Hasen) berichtet, die bunte Eier legen.

MANFRED KRIENER; WALTER SALLER