Schröder in Mexiko – Hoffnung auf Europa

Handel soll sich mit EU-Abkommen weiter steigern und die große Abhängigkeit von den USA mindern

MEXIKO-STADT taz ■ Als „besten Investitionsstandort der Welt“ bezeichnete der mexikanische Präsident Vicente Fox sein Land am Donnerstag vor ausländischen Journalisten. Kurz zuvor hatte die internationale Ratingagentur Standard & Poor Mexiko den begehrten „Investment grade“ verliehen; damit dürfen beispielsweise auch US-amerikanische Pensionskassen in mexikanische Staatsanleihen investieren.

Diese Einschätzung dürfte Fox auch Bundeskanzler Gerhard Schröder erzählen, der seit gestern Abend durch Mexiko, Brasilien und Argentinien tourt. Vicente Fox sieht gute Chancen für deutsche Unternehmen auf dem mexikanischen Markt. Die Möglichkeiten des Mitte 2000 in Kraft getretenen Freihandelsabkommens zwischen Mexiko und der Europäischen Union (EU) seien noch lange nicht ausgeschöpft, sagte er am Wochenende, obwohl der Handel mit der EU schon im ersten Jahr des Abkommens um 18,5 Porzent zugenommen habe. Allerdings wickelt Mexiko immer noch 80 Prozent seines Außenhandels mit dem Nachbarn USA ab.

Makroökonomisch betrachtet, hat das Land das Krisenjahr 2001 vergleichsweise gut überstanden. Die Inflation sank auf einen historischen Tiefstad von 4,4 Prozent, die Zinsen sanken ebenfalls erheblich, das Haushaltsdefizit liegt mit 0,73 nur noch leicht über der Sollmarke von 0,65 Prozent. Ein Problem bleibt allerdings der brachliegende Binnenmarkt: So ist die mexikanische Wirtschaft im letzten Jahr um 0,2 Prozent geschrumpft, knapp 400.000 Menschen haben ihren Arbeitsplatz verloren.

Diese Stagnation ist geografisch bedingt: Kein Land der Welt ist so abhängig von der rezessierenden US-Wirtschaft. Knapp 90 aller mexikanischen Verkäufe gehen gen Norden, rund drei Viertel aller Produkte werden aus den USA bezogen. Vor allem seit dem Inkrafttreten des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens Nafta 1994 haben sich die Ausfuhren in die USA nahezu verdreifacht. Daher ist die Euro-Connection bislang eher zweitrangig: Weniger als ein Zehntel des mexikanischen Handels wird mit EU-Ländern abgewickelt. Ein knappes Drittel davon – 6,5 Milliarden Euro – geht auf deutsche Konten. Noch allerdings importiert Mexiko dreimal so viel, wie es in Deutschland verkauft. Bislang operieren in Mexiko um die 700 deutsche Betriebe, darunter etwa 40 Konzerne wie VW, Bayer, BASF oder Siemens. Nach Schätzungen der Botschaft tragen sie 5 Prozent zum Bruttosozialprodukt bei.

Mit dem Investitionszertifikat hofft Mexiko nun noch auf eine „bedeutende“ Steigerung, etwa in den Sektoren Energie und Petrochemie. In beiden strategischen Bereichen ist eine private und ausländische Beteiligung bislang noch durch die mexikanische Verfassung beschränkt. Besonders an der Stromerzeugung seien die Deutschen „enorm interessiert“, sagte Botschafter Wolf-Ruthard Born in Mexiko-Stadt.

Eine echte Diversifizierung, im Sinne eines europäischen Gegengewichts zur US-Abhängigkeit, hält der Außenminister Jorge G. Castañeda im Gespräch mit der taz jedoch für „wenig realistisch“. Vielmehr geht es dem Wirtschaftsdiplomaten darum, in Europa „Werbung für Mexiko“ zu machen. ANNE HUFFSCHMID