Den Armen etwas mehr Hilfe zugestanden

Gestern ging die Konferenz zur Finanzierung von Entwicklungshilfe in Monterrey zu Ende. EU und USA erhöhten überraschend ihren Hilfsetat, doch bleibt dieser weiterhin hinter Forderungen der UNO zurück. US-Hilfe sei nicht mehr als „Prämie für Wohlverhalten bei Terrorismusbekämpfung“, so die Kritik

von KATHARINA KOUFEN

Als US-Präsident George W. Bush eintraf, musste Kubas Staatschef Fidel Castro gehen. „Offenbar bin ich ein Problem“, sagte der für seine stundenlange Diskurse bekannte Sozialist verärgert, und stieg nach einer nur siebenminütigen Rede ins Flugzeug. Denn die Konferenz zur Finanzierung von Entwicklung in Monterrey sollte im Konsens enden, so wünschten es die mexikanischen Gastgeber.

In diesem Sinne wollten die rund 50 anwesenden Staats- und Regierungschefs gestern – nach Redaktionsschluss – den Monterrey-Konsens unterzeichen. Der Text blieb bis zuletzt umstritten. Er sei „in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Widerstand der USA“ zu sehr verwässert worden, kritisierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Das NGO-Bündnis Erlassjahrkampagne fasst zusammen: „Die Konferenz produzierte nicht mehr als eine Beschreibung des Status quo.“

So heisst es etwa: Die Industrieländer sollen „konkrete Anstrengungen“ unternehmen, um das seit langem festgelegte Ziel zu erreichen, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Entwicklungshilfe auszugeben. Ein Zeitpunkt wird nicht genannt, auch die bisherige Formulierung, die Staaten sollten das Ziel „so schnell wie möglich“ anstreben, entfällt. Ebenfalls gestrichen wurde die Forderung an die reichen Länder, ihre Hilfe „umgehend“ zu verdoppeln. UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte diese in Monterrey erneut vergeblich ausgesprochen.

Immerhin haben sich die EU-Staaten im letzten Moment darauf geeinigt, ihre Entwicklungshilfe bis 2006 auf 0,39 Prozent des BIP zu erhöhen. Das entspricht sieben Milliarden Dollar jährlich. Derzeit liegt sie bei 0,33 Prozent. Deutschland liegt mit 0,27 Prozent bisher soweit unter dem Durchschnitt, dass die Bundesregierung kurzerhand eine Erhöhung auf 0,33 Prozent beschließen musste, um sich nicht völlig zu blamieren. Auch die USA haben überraschend angekündigt, ihre Hilfe um jährlich fünf Milliarden Dollar zu erhöhen. Dies sei jedoch „nicht mehr als eine Prämie für Wohlverhalten bei der Terrorismusbekämpfung, nachdem die USA die UN-Verhandlungen monatelang blockiert haben“, meinte enttäuscht Jens Martens vom Entwicklungsverband Weed.

Weiter heißt es, die Industriestaaten würden „dazu aufgerufen“, Schutzzölle abzubauen. Nach Schätzungen der UNO entgehen den Entwicklungsländern dadurch jährlich Einahmen von rund 150 Milliarden Euro.

Außerdem sollen die reichen Länder den 1999 beschlossenen Schuldenerlass für arme und hoch verschuldete Länder „schnell und vollständig“ umsetzen. Leider sei in Monterrey nicht konkretisiert worden, wie der Erlass auch auf hochverschuldete Schwellenländer wie Argentinien ausgeweitet werden könne, sagte Pedro Morazán, Sprecher der Erlassjahrkampagne. Außerdem schwebten die „Finanzierungsvorbehalte“ des deutschen Bundestags „wie ein Damoklesschwert über allen lobenswerten Absichten“.

Die Forderung vieler NGOs nach einem internationalen Insolvenzrecht für Staaten wurde kaum aufgegriffen. Morazán: „Das Abschlussdokument bleibt sogar hinter der Diskussion im IWF zurück, wo man seit einiger Zeit laut über die Einführung eines Insolvenzrechts nachdenkt.“

Schließlich spricht der Text die Möglichkeit an, den Devisenhandel zu besteuern und die Einnahmen für Entwicklung zu verwenden. Allerdings heißt es lediglich, man werde eine bei der UNO in Auftrag gegebene Studie „in der angemessenen Form“ studieren. Die Entwicklungsverbände Weed und terre des hommes kritisieren, dass die Fertigstellung des Reports immer wieder hinausgezögert worden sei. Er wird nun endlich auf der UN-Konferenz im August in Johannesburg („Rio plus zehn“) auf der Tagesordnung stehen.

Dennoch scheint das Interesse an einer solchen Steuer nicht nur in alternativen Kreisen zu bestehen. Als Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die ohne den Kanzler für die Bundesregierung nach Monterrey gereist war, eine von ihrem Haus in Auftrag gegebene Studie (siehe taz vom 21. März 2002) vorstellte, war die Veranstaltung überfüllt. Im Publikum saßen auch EU-Entwicklungskommissar Poul Nielson und ein hochrangiger IWF-Vertreter.

Kongressadresse: www.un.org/esa/ffd