Rauchen, feiern, töten

Bis zur Schmerzgrenze normal: In „Bash – Stücke der letzten Tage“ hat der US-Dramatiker Neil LaBute die Bekenntnisse von Mördern gesammelt. Jetzt wurden die Monologe in Peter Zadeks Bearbeitung am Deutschen Theater aufgeführt

„Kirche Jesu der Heiligen der Letzten Tage“ lautet der offizielle Name der Mormonenkirche. Neil LaBute, Filmregisseur („In the Company of Men“, „Your Friends and Neighbors“, „Nurse Betty“) und Dramatiker, studierte einst im Mormonenstaat Utah und trat dort dieser Glaubensgemeinschaft bei. „Bash – Stücke der letzten Tage“ nannte er eines seiner mittlerweile erfolgreichsten Stücke. So apokalyptisch, wie es der Titel verspricht, ist auch der Text des Stücks, das Peter Zadek mit einer großartigen Judith Engel als deutsche Erstaufführung in Hamburg herausbrachte.

Am Wochenende war die sparsame, aber pointierte Inszenierung im Deutschen Theater zu sehen. Das Personal des Endzeitdramas setzt sich aus Mormonen zusammen. Sie alle, ein junger Familienvater, ein Student, eine junge Frau, haben jemanden getötet. Eher im Vorbeigehen, nebenbei. Der Vater erstickte sein Kleinkind, aus Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialem Abstieg. John, der Student, mit seiner Partnerin Sue in Manhattan auf Partykurs, erschlägt in einer Toilette im Central Park einen Schwulen. Aus Ekel, Langeweile, Lust am Exzess, wer weiß? Jedenfalls steigert er sich mit seinen Kumpels in eine fast schon religiöse Raserei. Die Frau lässt ihren Sohn an dessen 14. Geburtstag in der Badewanne an einem elektrischen Schlag sterben: Sie rächt sich damit stellvertretend an dessen Vater, an dem verbauten, versauten Leben, eine moderne Medea, die nicht die Wildheit der antiken Figur ausleben durfte, sondern ihr vielmehr nur im bitteren Ende gleicht.

Auf ihren Nachrichtengehalt reduziert, sind diese Ereignisse nicht außergewöhnlich. Sie können täglich, an welchem Ort auch immer, geschehen. Sie tauchen als „vermischte Meldungen“ auf, schaffen es, wenn ein Tatbeteiligter berühmt war, auch auf die Titelseiten. Besonders werden diese Schicksale hier, weil LaBute eine Innensicht anbietet, die zwar lakonisch und alles andere als bösartig daherkommt, in ihrer normalen Verfasstheit aber umso extremer wirkt. Bleiben Ben Becker als Vater aus dem ersten und Uwe Bohm aus dem zweiten Teil noch auf der Oberfläche des Textes kleben, indem sie äußere Coolness schematisch gegen das Unaussprechliche des Gesagten setzen, so entfaltet Judith Engel im abschließenden Part die Tiefen und Untiefen einer wirklichen Person. Verschüchtert, in blasse Farben gekleidet, sitzt sie am Tisch. Sie raucht eine Zigarette nach der anderen, verbirgt das Gesicht hinter den Händen und versichert sich immer wieder der Zuhörer.

Erst introvertiert, dann immer sicherer werdend erzählt sie die Geschichte der Liebe zu ihrem Lehrer – dem Lichtblick im stickigen Kleinstadtleben. Noch vor der Geburt verschwindet er; das junge Mädchen wird nie des Vaters Identität verraten; sie zieht ihr Kind allein auf. Sie ist zu früh erwachsen geworden. Noch in Demut bereitet sie das finale Zusammentreffen von Vater und Sohn vor, bei dem ihr Schmerz dann explodieren wird. Schwer zu beschreiben, was man bei dieser Konsequenz empfindet. LaBute gibt Hilfestellung: das Drama ist den drei Opfern gewidmet. TOM MUSTROPH