Das dumpfe Echo der Krise

Die Berliner SPD hält den Wahlausgang in Magdeburg für „ein grauenvolles Ergebnis“. Doch die Spree-Genossen lässt es kalt. Eine Gefahr für Rot-Rot in Berlin sehen weder SPD noch PDS

von S. ALBERTI
und A. WOLTERSDORF

Gute PR-Strategen suchen ein positives Umfeld, wenn sie ihre Sache präsentieren wollen. Michael Müller hingegen hätte weder einen schlechteren Ort noch einen mieseren Zeitpunkt auswählen können. Ausgerechnet am „Morgen danach“ wollte der SPD-Fraktionschef über Berliner Landespolitik und die Koalition mit der PDS sprechen. Über dem Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg, wohin Müller geladen hatte, schien gestern Morgen zwar die Sonne. Drinnen aber erzeugte das Desaster von Sachsen-Anhalt Weltuntergangsstimmung. „Ein grauenvolles Ergebnis, keine Frage“, sagte auch Müller. Aber Schockwellen für Rot-Rot in Berlin? Nein, die gibt es nicht. Die Berliner Koalition sei nicht vergleichbar mit dem rot-roten Tolerierungsmodell Sachsen-Anhalts. Dort habe die PDS „die Rosinen rauspicken können“ und sich bei problematischen Entscheidungen zurückgezogen. In Berlin hingegen stünden beide, SPD und PDS, in der Verantwortung.

Eines wurde an diesem Montag schnell deutlich: Nur fünf Tage vor der Hundert-Tage-Bilanz wollen sich die Koalitionäre von SPD und PDS ihren „politischen Neuanfang“ für die Hauptstadt nicht verhageln lassen.

Bei den Sozialdemokraten war man bemüht, das gutes Klima in der Koalition herauszustellen: Man arbeite „sehr vertrauensvoll und sehr geräuschlos zusammen“. Vielmehr erklärte Müller den Erdrutschsieg der CDU bei der Wahl am Sonntag mit immer geringeren Wählerbindungen. Der Fraktionschef konstruierte eine Parallele zu den Berliner Wahlen, wo die CDU in gleichem Umfang verlor wie die SPD jetzt in Sachsen-Anhalt – unterschlug dabei aber, dass Berliner Wähler nach der Spendenaffäre und dem Skandal bei der Bankgesellschaft einen konkreten Anlass für ihr Abwatschen der Union hatten. Wie Müller schob auch der SPD-Landeschef Peter Strieder die Schuld für das dramatische Wegsacken der Magdeburger Genossen auf das unliebsame Tolerierungsmodell. Die PDS habe zugleich Regierung und Opposition spielen können und davon profitiert.

Harmonie hin oder her. Naturgemäß hatten die Chefstrategen der PDS am gestrigen Montag andere Deutungsmuster parat. Harald Wolf, PDS-Fraktionsvorsitzender, wies darauf hin, dass seine Partei in Sachsen-Anhalt auch bei schwierigen Entscheidungen Mitverantwortung getragen habe. Konsequenzen aus der Minus-16-Prozent-Schlappe für die Genossen sehe er allerdings nicht, sagte Wolf. Die Interpretation von Union und FDP, nun sei Rot-Rot ein Auslaufmodell, sei lediglich billige Polemik. Das Wahlergebnis zeige, dass mit dem Tolerierungsmodell nur die SPD gescheitert sei. Das erkläre sich jedoch, so Wolf, aus einer „teilweise echt antisozialdemokratischen Stimmung“ in den östlichen Bundesländern – eine Quittung für das anhaltende Desinteresse der Bundesregierung für die Probleme dieser Regionen.