Was wusste Heide Simonis?

Heute setzt der schleswig-holsteinische Landtag einen Untersuchungsausschuss ein, der die Rolle von SPD-Regierungschefin Simonis in der Expo-Affäre beleuchten soll

KIEL taz ■ Das Wort von der Kieler Affäre geht wieder um. Barschel, Pfeiffer, Engholm – die Reihe muss um ein paar Namen erweitert werden. Lohmann, Pröhl, Gärtner – und wenn es nach der schleswig-holsteinischen Opposition von CDU und FDP geht, steht auch der Name von SPD-Ministerpräsidentin Heide Simonis bald mit auf der Liste. Der Landtag wird heute einstimmig die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließen, der die so genannte Expo-Affäre aufklären soll – und die Oppositionsparteien werden nichts unversucht lassen, die Rolle der Ministerpräsidentin dabei besonders unter die Lupe zu nehmen.

Die rot-grüne Landesregierung hat seit einem halben Jahr ununterbrochen schwere See. Wöchentlich werden neue Bestechungsvorwürfe laut, ruhig regiert wird im nördlichsten Bundesland nicht mehr, die Medien interessiert fast nur noch: Hat Simonis von den Nebentätigkeiten des schleswig-holsteinischen Expo-Beauftragten Karl Pröhl gewusst oder nicht? Die Regierungschefin reagiert mittlerweile äußerst gereizt. Gegen Focus und Bild hat sie einstweilige Verfügungen beantragt. Die beiden Blätter hatten behauptet, Simonis habe Kenntnis von den dubiosen Geschäften Pröhls gehabt – was die Ministerpräsidentin energisch abstreitet.

Pröhl war im März fristlos entlassen worden, nachdem bekannt wurde, dass er neben seinem Expo-Job als Bediensteter der Staatskanzlei zahlreiche Nebentätigkeiten am Laufen hatte. So war er gleichzeitig für die Hamburger B&B-Gruppe des Unternehmers Falk Brückner tätig geworden und hatte dort ungenehmigt einen Vorstandsposten inne. Bei einer Hamburger Bank soll er zudem einen Millionenkredit erschwindelt haben und in mehrere Geschäfte um Erwerb und Sanierung schleswig-holsteinischer Schlösser verwickelt worden sein.

Im Dienste des Landes war Pröhl im Vorjahr in den Nahen Osten gereist, wo auch B&B geschäftliche Interessen hatte. All dies, so sagten Pröhl und Brückner, sei der Ministerpräsidentin bekannt gewesen. Simonis dagegen behauptet, sie habe erst Ende Februar von Pröhls Tätigkeiten erfahren, ihm daraufhin eine Frist zu einer Stellungnahme gegeben und ihn nach Ablauf der Frist entlassen, weil er „das Vertrauen der Landesregierung sträflich missbraucht“ habe.

Gleichzeitig muss sich Simonis’ Finanzminister Claus Möller (ebenfalls SPD) gegen Vorwürfe wehren, sein ehemaliger Staatsrat Joachim Lohmann sei bestechlich gewesen und habe einen hochkarätigen Computerauftrag einer Firma zugeschanzt, in der er selbst anschließend beschäftigt war.

Das erste Kopf, der wegen der Pröhl-Affäre rollte, war der des Chefs der Kieler Staatskanzlei, Klaus Gärtner, einem der engsten Mitarbeiter der Ministerpräsidentin. Als direkter Vorgesetzter Pröhls übernahm er im März überraschend die Verantwortung und trat zurück. Für CDU und FDP ist Gärtner allerdings nur ein Bauernopfer, um Simonis zu schonen. Die spricht von einer „billigen Kampagne“ gegen ihre Person und ihren engsten Führungskreis. Dazu zählt sie auch Vorwürfe, die Ehefrau Gärtners habe im Rahmen des von Pröhl geleiteten Expo-Bereiches einen Job erhalten, und Pröhls Frau habe Simonis Reitstunden erteilt.

FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki, der ebenso wie sein CDU-Pendant Martin Kayenburg seit Wochen Morgenluft wittert, höhnt: „Für mich ist es kein Wunder, dass in einer solchen Atmosphäre der Selbstbedienung schwächere Charaktere auch zu kriminellen Handlungen übergegangen sind.“ PETER AHRENS