Der neue Herbert Zimmermann

Endlich ist ein Nachfolger für den legendären Radioreporter der Fußballweltmeisterschaft 1954 gefunden

Seit Jahrzehnten wird er gesucht, der Nachfolger des Hamburger Radioreporters Herbert Zimmermann, der als 37-Jähriger beim Endspiel der Fußball-WM am 4. Juli 1954 die berühmten Sätze brüllte: „Rahn schießt! Tor! Toor! Toor! Tooor! Tor für Deutschland!“ und „Aus! Aus! Aus! – Aus! – Das Spiel ist aus! – – Deutschland ist Weltmeister!“

Keiner konnte Herbert Zimmermann später das Wasser reichen, nicht mal Kurt Brumme oder Günther Koch. Zimmermann blieb einzigartig – bis zum 22. Juni 2002. An jenem Tag nämlich habe ich Zimmermanns Nachfolger gefunden, d. h. gehört. Nicht am Radio, über Streckenlautsprecher hörte ich ihn, und nicht in einem Fußballstadion, sondern am Nürburgring.

Nein, kein „Kahn, du bist ein Torwarttitan!“ schallte da durch das entfernt einem Fußballstadion ähnelnde Tribünenhalbrund der Ford-Kurve, viel Wahnsinnigeres trug sich zu. Zunächst war das Formel-1-Qualifikationstraining des Großen Preises von Europa über die Bühne gegangen und mit ihm einiges vom bereits semilegendären Starstreckensprecher Kalli Hufstadt zu vernehmen gewesen, etwa dass „die ganze Fußballspielerei“ den Zeitplan durcheinander bringe und die Jaguar-Piloten „mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen“; doch dann übergab Kalli an einen Kollegen, der eines der so genannten Rahmenrennen kommentieren musste, das „Rennen BMW Formel ADAC“, und es begann gar Sagenhaftes.

Die Samstagssonne brannte brutal, nur noch wenige Zuschauer saßen auf den steinernen Stufen, ich holte ein frisches Pils und fiel fast in Ohnmacht. „Und es ist eiiin blut-jun-ger Mann auf Position vier, einer der rich-tig auf-ge-trumpft hat“, dröhnte es mir entgegen, in der exakt gleichen Tonlage und mit einem Betonungsfanatismus wie einst Herbert Zimmermann. „Griechisches Blut fließt in seinen Adern“, grollte es, Motoren brummten, und der Lautsprechermann kam in Fahrt: „Da hat er natürlich die Stinkwut im Bauch, Königbauer hat er mitgenommen, da fehlt uns der Goetz, aber der ist trotzdem weg vom Fenster“, überschlug sich die Stimme, „und da sehen wir den Goetz, der hat sich irgendwo einsam weggetan.“

Ich warf mich beinahe weg, flog aus der Ford-Kurve wie ein Schluck Bier, und das furiose Streckenradio skandierte voller Feuereifer fort: „Während mit der 16 in der Botanik war Andreas Würk, mein Gott, während Biagi mit sizilianischem Blut in den Adern vorbeifahren kann“, das Feld raste vorbei, man hörte kurz nichts, und dann: „Und er, der die Stop-and-go-Strafe bekommen hat, kommt nicht herein!, er fährt jetzt um die Goldene Ananas, das nützt ihm nichts, da wird es einen über die berühmte Rübe geben, und da gibt’s einen Dreher!, ja Himmel!, und das darf nicht sein, und der lag richtig gut, jetzt hat’s den erwischt, aus und vorbei, nix geht mehr!“ Doch. „Mein lieber Herr Gesangsverein“, ein fast noch schonungsloseres Schmettergenie als Zimmermann, bellte ohne Stop-and-go weiter: „Hannes Neubauer kommt jeeetzt aus der achten Runde zurück, während wir jetzt hier einen Sprung sehen von der Nr. 26 von Robert Kart aus Bogenhausen“, er hatte den Bogen raus und finishte: „Da scheint der Podiumzug abgefahren für die anderen, und da hat’s Riedel erwischt, da liegt er drauuußeen!, Mensch, Sebastian!, aber mit Kies kann er was anfangen, denn er will Maurer werden, aber da stampfen wir in die letzte Runde, aber wir bleiben bei dem Kaufmannsmeister aus Österreich, der wird sicher keine Beute mehr, und da ist der Sieg in Tüten verpackt für Hanneees Neubauer!“

Der Name des neuen Zimmermann? Peter Theissen.

JÜRGEN ROTH