arabiata: ein voller kopf … von BJÖRN BLASCHKE
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Bevor ich nach Jordanien zog, hatte ich mir vorgenommen Arabisch zu lernen. Ich wusste zwar, dass man in der Hauptstadt Amman überall mit Englisch gut zurechtkommt. Aber ich zähle nicht zum Typ „worldwidewurstsalad.Deutscher.de“, der abroad Englisch redet, um zu demonstrieren, wie international er ist. Nein, ich bin ein typischer Affirmativ-Deutscher. Ich will, dass in mir der Einheimische gesehen wird. Zudem verlasse ich die deutschsprachigen Ländereien immer wieder gern, um nicht jedes Geschwätz um mich herum verstehen zu müssen, sondern in allem das Exotische zu hören, mit dem ich dann verschmelze. Und da ich ein solcher Assimilator bin, nahm ich mir bei meinem Wegzug eben vor, Arabisch zu lernen.

Leider ist das Lernen weniger leicht getan als geradebrecht. Und mehr als einmal bin ich, als ich gefragt hatte, wie ich nach XY gelange, in YX angekommen; ich war nach links gegangen, obwohl mich die Leute nach rechts geschickt hatten. Dabei hätten sie mir auch auf Englisch antworten können; ich war es, der seinen Englischkanal verstopft hatte …

Obendrein ist es erniedrigend, sich wieder wie ein Erstklässler zu fühlen, der ein Alphabet langsam erlernt – mehr malend als schreibend. Doch mittlerweile gelingt es mir meistens, zu lesen, was auf Werbe- oder Straßenschildern geschrieben steht. Und weil in Jordanien fast alles noch einmal auf Englisch da steht, habe ich obendrein eine gute Kontrolle.

Neulich wartete ich allerdings an einer roten Ampel und las auf einem halbverdeckten Bus des Öffentlich-Jordanischen-Personen-Nahverkehrs das Wort „Scharab“. Prima, sagte ich mir, ein neues berauschendes Kaltgetränk in Jordanien, denn „Scharab“ bedeutet nichts anderes als „Wein“. Beim Stichwort „Wein“ jubelte aber nicht nur mein Gaumen; es rappelte auch kräftig in meiner hirninternen Vokabelkiste: Rebensaft wird nämlich nur im Koranarabisch „Scharab“ genannt; ansonsten spricht man hier von „Nbiid“ …

Die Kombination aus beidem – „Koranarabisch“ und „Wein“ – ließ mich jäh in meinen vorauseilend Wein beseelten Freudentänzen innehalten und wieder ruhig auf meinem Fahrersitz verharren. Ja, sollte denn tatsächlich auf einem Bus eines vornehmlich islamischen Landes Weinwerbung zu lesen sein? Aufforderung zum Genuss eines Saftes, der göttlich gebannt ist?

Selbstverständlich nicht. Als die Ampel auf Grün sprang und ich anfuhr, entdeckte ich, dass ich ein „a“ gelesen hatte, das in „Scharab“ zwar vorkommt, aber lediglich als Vokal, der nicht ausgeschrieben wird. Kurz: Ich hatte mich verguckt. Statt Wein, sollte ein Faxgerät meinen Durst stillen. Auf dem Bus stand nichts anderes als der ins Arabische transkribierte Name einer großen Telekommunikationsfirma: „Sharp“!

Ich sollte also genauer hinsehen – oder meine Vokabeln besser lernen. Heißt es bei den Deutschen, „ein voller Bauch studiert nicht gern“, sagen wir in Jordanien „batin malan, kiif tamam!“ – „Ist der Bauch voll, ist der Kopf in Ordnung.“

Der Autor ist Nahostkorrespondent der ARD.