in münchen steht ‘ne tiki-bar … von HARTMUT EL KURDI
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München ist eine wunderschöne Stadt, wenn man die bekannten Widerlichkeiten abzieht: die absurd hohen Mieten, Uschi Glas, die gutturale Grunzsprache, Ministerpräsidenten mit paranoiden Durchrassungsfantasien, einen Fußballverein so sympathisch wie die al-Qaida und die nur in grotesken Literportionen ausgeschenkte Biergarten-Dünnbierbrühe, die man gar nicht so schnell trinken kann, wie sie absteht. Unbedingt abziehen muss man auch Rudolf Mooshammer, den Mann mit dem betäubten Nagetier auf dem Kopf, dessen Schaufenster in der Maximilianstraße übrigens aussieht wie eine ungemachte Schlafcouch.

Aber ansonsten, wie gesagt: München, feine Sache! Wären da nicht die Italiener. Leider sind die Münchener Italiener keine Italiener, sondern nur Münchner, die gern Italiener wären. Diese prätentiösen bayerischen Wannabe-Italianos verkehren in Holodeck-Lokalitäten, die sich z. B. „Bar Centrale“ nennen und deren Interieur entweder direkt aus Italien importiert oder von geschickten Restaurations-Restauratoren täuschend ähnlich nachgebildet wurde.

Als Frau trägt man dort ein knappes Fähnchen und viel gebräunte Haut, als Mann einen dunklen Anzug, den Hemdkragen offen und zurückgegelte Haare. Wie der Dumpf-Deutsche mit zu viel Taschengeld sich den Spaghetti eben vorstellt. Die ganz schwer beschädigten Charaktere unter den Gästen kucken mit ihren bajuwarischen Brezelgesichtern oben aus italienischen Fußballtrikots („10 – Totti“) heraus, bestellen in einem absichtlich weggenuschelten Pidgin-Italienisch „due espressi“ und erwarten dann stehende Ovationen für die scheinbar geglückte Pluralbildung, nicht ahnend, dass der Italiener natürlich „due caffè“ bestellen würde. Eine durch und durch peinliche Angelegenheit also.

Aber München wäre nicht München, wenn es dort nicht auch eine First-Class-Holodeck-Gaststätte gäbe. Tief unten im „Bayerischen Hof“ findet man eine „polynesische“ Tiki-Bar, die so stilvoll artifiziell ist, dass sie schon wieder authentisches Wohlbefinden vermittelt: dunkler Bambus, gedämpftes Papierlaternenlicht, geschnitzte Totempfähle, bunte Tiki-Malereien und entspannte Servicekräfte, die perfekt gemixte Mai Tais an den Tisch zaubern und nach den „spareribs“ feucht-warme Tücher zur Hand-Hygiene reichen.

Im Gegensatz zur Italo-Bar versucht die Tiki-Bar gar nicht erst, Reales nachzubilden, sondern präsentiert die Südsee so künstlich, wie wir sie aus James-Bond-Filmen kennen: mild exotisch und mit flauschigem Teppichboden. Und man muss keinen Polynesier imitieren, um bedient zu werden. Man darf sogar aussehen wie der greise Neil Tennant von den Pet-Shop-Boys, auf den ich meinen Münchener Gastro-Führer, den feinen Herrn Kortmann, eines Abends hinwies. Und obwohl dieser wusste, dass Tennant an diesem Abend in der Stadt konzertiert hatte, sagte er: „Ach was, der ist auch nur gefaked!“ Und dann nahmen wir noch einen Drink und stellten uns vor, wir seien in Hawaii. Oder Osnabrück. Tiki Ho!