Mister Greene liebt die Deutschen

Von einem erfolgreichen US-Bürger, der auszog, endlich ein echter Deutscher zu werden. Eine Buchbesprechung

In der letzten Wahlkampf-Boxrunde wurde es wieder eingesetzt, als letzte Waffe fürs letzte Aufgebot – der rechte Kinnhaken, das Zuwanderungsthema. Da wäre so mancher ratlose Politiker über einen wie Charles Greene, Werbeprofi, amerikanischer Exbürgerrechtler und gelernter Neudeutscher, in seinem Kompetenzlosteam froh gewesen. Der Examerikaner nämlich hat sich in diesem Jahr einbürgern lassen, nachdem er dreißig Jahre lang hierzulande Steuern zahlte, Arbeitsplätze schuf, Deutsch lernte, um dann als Sahnehäubchen nicht irgendeinen schnöden Dritte-Welt-Pass abzugeben, sondern eine stolze US-Staatsbürgerschaft und im Gegenzug dankbar die unheilbeladene deutsche anzunehmen.

Zur deutschen Vergangenheit meint Greene, dass man sie nun mal nicht ändern kann, aber klar, kaum war er Deutscher, da kamen Fragen zur Geschichte: „Ich sagte damals, drei Tage Deutscher und schon habe ich die ganze Geschichte am Hals.“

Nichtsdestotrotz. Herr Greene liebt uns, die Deutschen, ganzheitlich mit Bürokratie und Ordnungswahn. Oder noch besser, wegen unserer Bürokratie. Damit alle Ausländer lernen, wie das geht und wir Deutschen unser ramponiertes Selbstwertgefühl ein wenig ausbessern können, hat der in Düsseldorf lebende Mann aus White Hall, Illinois, (nur einem Mann aus dem Mittleren Westen konnte der Spruch vom Fruchtzwerg, der so wertvoll wie ein kleines Steak sei, einfallen!) seine Erfahrungen mit den Deutschen in einem Buch aufgeschrieben.

Nach anfänglichen Schwierig-keiten mit uns eröffnete sich Greene das wahre deutsche Wesen: Wir sind das fairste Volk der Welt! Unsere Bürokratie, so meint Greene im Interview, ist Angebot und ständige Herausforderung zur Konsenssuche, denn schließlich seien auch die fürchterlichsten Paragrafen verhandelbar, wäre dem nicht so, stünde ja vor lauter Bürokratie das Land still.

Herr Greene, Ihr Wort in Otto Schilys Ohr und in dem der abgewiesenen Asylbewerber. Man möchte Ihnen glauben, wenn sie wie ein Frischverliebter ins Schwärmen geraten über unsere gerade vom Untergang bedrohte soziale Marktwirtschaft und die parlamentarische Demokratie, die in diesem Wahlkampf ihr ganzes Können mal wieder unter Beweis stellen durfte.

Und die jungen Deutschen, die Sprachen lernen, zum Studieren ins Ausland gehen und weltoffen sind (weil ja kein Schwein zum Studieren hierher kommt, von Pisa ganz zu schweigen).

Ach ja, die deutschen Ingeneure nicht zu vergessen, die schätzt man weltweit, denk bloß an BMW und Volkswagen.

Aber, kommt es drohend aus mir heraus, wir wollen doch nicht geliebt werden, weil wir gute Autos bauen und eine Bürokratie erschaffen haben, die so absurd ist, dass man zum Überleben jeden Paragrafen verhandeln muss. Wir wollen geliebt werden, weil wir schön, charmant und klug sind. Und Gutmenschen sowieso. Um unser selbst willen. Wir brauchen eine Imagekampagne, wir brauchen einen wie Sie.

„Spart euch das Geld“, meint Greene, „und liebt euch selbst.“

Was soll man da noch fragen:

„Ist Ihre Frau Deutsche?“ – „Nein, meine dritte Frau ist Schottin, die erste war Amerikanerin, die zweite kam aus Wien.“

„Sind Sie stolz, ein Deutscher zu sein?“ – „Nicht stolz, aber sehr glücklich.“

„Und werden sie sich nun Karl Grün nennen?“ – „Nein, aber vielleicht Tscharls Grien.“

Da müssen Sie aber mit dem Standesamt erst mal ordentlich verhandeln. Bei uns sind die Namen nämlich vorgeschrieben – im deutschen Namensrecht.

SABINE BERKING

Charles Greene: „Wie ich lernte, die Deutschen zu lieben“. Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, Reihe Schräge Bücher, 12,95 €