Cops gegen Copyart gegen Cops

Die Berliner Antifa sucht jetzt mit eigenen Plakaten nach potenziellen Staftätern des 1. Mai aus den Reihen der Polizei. Staatsschutz vermutet darin einen Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Resonanz auf Original-Polizeiposter bisher gering

von TILL BELOW
und PLUTONIA PLARRE

Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) präsentierte gestern ein Plakat mit „verdächtigen Polizeibeamten“, die an schweren Übergriffen gegen Demonstranten am 1. Mai beteiligt gewesen sein sollen. Bei den abgebildeten Polizisten handele es sich „entweder um Straftäter oder um Zeugen, die bei Straftaten nicht eingegriffen haben“, erklärte AAB-Sprecher Michael Kronewetter. Zu jedem Foto gäbe es Zeugen, die in einem Strafverfahren wegen der Übergriffe aussagen könnten. Auf dem Plakat wird um Hinweise zur Identifizierung der abgebildeten Personen gebeten, darunter stehen die Telefonnummern der AAB und von Stefan Liebich, Landes- und Fraktionsvorsitzender der PDS.

Die AAB kopierte mit dem Plakat die in der vergangenen Woche vorgestellten Fahndungsaufrufe der Berliner Polizei. Auf den ersten Blick fallen nur zwei Unterschiede ins Auge: Die Polizei verspricht lediglich 500 Euro Belohnung für Hinweise auf Steinewerfer des vergangenen 1. Mai. Die Antifa lockt Denunzianten gleich mit 1.000 Euro. Zudem verbindet sie, anders als die Polizei, ihr Poster mit einer politischen Forderung: „Kennzeichnungspflicht sofort“ für Beamte im Dienst.

Eigentlich finde er die Veröffentlichung von Verdächtigenfotos „widerlich und wenig fortschrittlich“, erklärte Kronwetter. „Die öffentliche Strafverfolgung der Polizei ist eine Strategie, den 1. Mai als Manifestation von grundsätzlichem, linkem Widerspruch zu entpolitisieren.“ Mit dem Prügel-Poster wolle man die Bevölkerung zum Nachdenken anregen.

Der FU-Politologe Peter Grottian findet die erneute Plakataktion der Polizei „völlig unpassend“, die Plakate der AAB seien dagegen „um ihrer Symbolik willen gerechtfertigt“. Der Professor hatte mit dem Personenbündnis „Denk Mai neu!“ versucht, die Maidemonstrationen zu repolitisieren und Kreuzberg zu befrieden. „Wir sind mit unserem Konzept damals erfolgreich gescheitert – es gab die niedrigste Zahl schwer verletzter Polizisten seit Jahren und deshalb fehlt der Polizei-Großfahndung das Augenmaß“, sagte Grottian gestern. Die Polizei schade sich letztlich selbst, da sie das Vorfeld des Arbeitertags 2003 vergifte.

Steffen Zillich (PDS), Mitglied des Innenausschusses, erklärte, die Veröffentlichung von Liebichs Telefonnummer sei „weder abgestimmt noch vorher bekannt“ gewesen. Gleichzeitig sprach sich Zillich für eine Kennzeichnungspflicht bei Polizeibeamte aus. Erste Schritte dahin seien bereits unternommen.

Die Polizei wird das Plakat nicht einfach hinnehmen. Es handele sich hier ganz offensichtlich um einen „Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz“, sagte ein Beamter des Staatsschutzes. Ob mit Durchsuchungen zu rechnen sei, wollte er aber nicht verraten. Die Frage, ob auch gegen die abgebildeten Polizisten ein Verfahren eingeleitet werde, verneinte der Beamte. Es handele sich bei den Fotos um eine aus dem Zusammenhang gerissene Darstellung. Von einem einzelnen Bild könne nicht abgeleitet werden, ob es sich um eine Straftat handele.

Unterdessen zeigt das Fahndungsplakat der Polizei in Sachen Steinewerfer erste Wirkungen. Mehr als 20 Hinweise seien inzwischen eingegangen, sagt ein Beamter des Staatsschutzes. Bei zwei der bezichtigten Personen sei der Hinweis so präzise, dass gegen diese ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werde. Insgesamt sei die Reaktion auf den Fahndungsaufruf aber eher zurückhaltend. Das sei aber kein Grund zur Beunruhigung. Nach den Herbstferien rechne man mit einem besseren Rücklauf. Die 3.000 Plakate mit Fotos von 53 Männern und einigen wenigen Frauen sind bundesweit in öffentlichen Gebäuden ausgehängt worden.