philipp maußhardt über Klatsch
: Was Schimmerlos noch wusste …

Michael Graeter hat ein Nachschlagewerk über den Klatsch geschrieben. Richtig schlau wird man daraus nicht

Obwohl der Klatsch das einzige Gewerbe ohne Konjunktursorgen ist, gibt es hierzulande nicht wirklich viele Klatschjournalisten, und schon gar nicht viele, die man kennen müsste. Dass Zeitungsvolontäre auf die Frage nach ihrem Traumjob eher „politischer Korrespondent in Washington“ angeben denn „Gesellschaftskolumnist in München“, ist dabei nur der Ausdruck der vorherrschenden Schizophrenie, die uns die Arbeit von Paparazzi verachten, ihre Bilder aber gierig verschlingen lässt.

Heute wollen wir darum einmal von einem Klatschreporter reden, den sogar der durch Klatsch und Tratsch immunisierte Oberstudienrat aus Kirchheimbolanden kennt – wenn auch nicht unter seinem wahren Namen. Aber von „Baby Schimmerlos“ haben selbst diejenigen schon gehört und gesehen, die weder beim Zahnarzt Bunte lesen noch beim Frisör die Neue Revue. Und „Baby Schimmerlos“, der Serienheld aus der Münchner Bussi-Bussi-Welt, war niemand anderer als Klatschreporter Michael Graeter.

Graeter, heute 59 Jahre alt, drehte beim Entstehen des Films noch für die Münchner Abendzeitung allabendlich seine Runden und beschrieb später für Bild, Bunte und zuletzt für Neue Revue die Welt der Schönen und Reichen. Nebenher betrieb er Kneipen in München und Berlin sowie mehrere Kinos. Jetzt hat Baby Graeter ein Buch geschrieben („Lexikon des Klatsches“, Eichborn), von dem auch die taz-Leser noch lange zehren werden, da ich es in meine Handbibliothek als Nachschlagewerk einsortiert habe.

Wie viele Kinder von wie vielen Männern hat noch mal Prinzessin Stephanie von Monaco? Aha, Seite 347 folgende: „Sie ist zeitweise schöner und männerverschleißender als ihre Schwester Caroline und flattert wie ein Schmetterling von Mann zu Mann.“ Drei Kinder von zwei Männern. Na ja, hätte ich mehr vermutet.

Ein Lexikon der Besenkammern und der geschlossenen Gesellschaften. Darauf hatten wir gewartet und sehen ihm deshalb sogar nach, dass es optisch nichts bietet als ein einziges Foto von IHM selbst, der „Nummer 1 unter Deutschlands Gesellschaftsreportern“, wie es im Klappentext heißt. „Jetzt erzählt Graeter erstmals, was er weiß – und er weiß alles …“

Donnerwetter. Erstmals erzählt er, was er weiß?! Aber Graeterchen, du weißt doch noch viel mehr. Du hast mir doch einmal erzählt, mit welchen Politikern du schon im Puff warst und welcher davon sich, du weißt, einen Schulranzen aufgesetzt und kurze Lederhosen angezogen habe. Dann wollte er Hiebe haben. Die Hiebe, die Triebe, die Liebe, du weißt … und nichts von alledem in deinem Lexikon. Ich traf Michael Graeter auf dem Flur des Münchner Amtsgerichts. Er klagte gegen den Burda-Verlag auf eine Abfindung, weil sie ihn bei der Bunten nicht mehr haben wollten. Mit dem schönen Satz: „Ein Graeter lässt sich nicht enteiern“, schmiss der Beleidigte seinen Griffel hin und ging. Auf dem Gerichtsflur also erzähltest du mir außerdem, dass du dabei gewesen seist, wie in der Münchner Nobelbar „Trader Vic’s“ – wer war es jetzt gleich noch mal? – ein bekanntes Pärchen unter dem Tisch gepoppt habe.

So was wollen wir wissen! Stattdessen lieferst du Altbackenes. Offenbar hattest du als Besitzer des Münchner Bistros „Café Extrablatt“ hin und wieder Probleme mit deinem Brotlieferanten Lothar Hammelsbeck aus München-Laim. Der arme Bäcker wird nun unter dem Vorwand, über Schauspieler Wolfgang Fierek (ganz früher einmal Barkeeper im besagten Café) zu berichten, als Halsabschneider und Pfennigfuchser an den Pranger gestellt. Rache ist süß. Aber wen interessiert das?

Dabei hat nicht viel gefehlt, und aus Michael Graeter hätte ein ganz Großer werden können. In seinen besten Jahren, den 70ern, waren seine Partygeschichten gespickt mit Zynismus. Da schimmerte der Anarchist in ihm durch, der seine Protagonisten im Grunde liebte und gleichzeitig verachtete. Aber eingeladen werden müssen und nicht dazugehören wollen, lässt sich in diesen Kreisen nicht lange durchhalten, und so ist auch Graeter mit der Zeit immer braver und gefälliger geworden und wählt die CSU. Heute macht er Witzchen über den schwulen Regierenden Bürgermeister von Berlin.

Schade. Denn gute Klatschreporter fehlen in dieser Republik. Die mit liebevoll-bösem Blick durch die Reihen der guten Gesellschaft tanzen, die ein Burgunderglas richtig halten, die am Buffet noch lächeln und Stunden später an der Schreibmaschine kotzen können. Immer mit Liebe versteht sich, mit vernichtender Liebe.

Graeter! Es ist noch nicht zu spät. 59 Jahre ohne Sport und Zigaretten sind doch kein Alter. Geh in dich, hol alles heraus. Der Verlag, so sagt er, will einen zweiten Band herausgeben. Dann sag alles, was du weißt. Alles!

Fragen zu Klatsch?kolumne@taz.de