BND wittert Al-Qaida-Anschlag

Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes warnt vor „höherer Gefährdung“ in Deutschland. Das Terrornetzwerk sei „voll operationsfähig“, Bin Laden am Leben

BERLIN taz ■ Naturgemäß ist es nicht Sache der Geheimdienste, sich mit ihrem Wissen bei jeder Gelegenheit vor eine Kamera zu setzen. Insofern ist es bemerkenswert, wenn es doch passiert. Gestern Abend warnte der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, im ZDF davor, dass die Terrororganisation al-Qaida auch hier aktiv werden könne: Es sei von „einer höheren Gefährdung auch in Deutschland“ auszugehen. International, so der BND-Präsident, sei das islamistische Terrornetzwerk „wieder voll operationsfähig“. Aller Wahrscheinlichkeit nach sei auch Ussama Bin Laden noch am Leben und steuere al-Qaida aus der afghanisch-pakistanischen Grenzregion. Hanning: „Wir teilen die Ansicht der USA, dass wir mit einem neuen Anschlag rechnen müssen, auch größerer Dimension.“ Über das Ziel sei aber nichts bekannt.

Als Motiv der Terroristen nannte Hanning die Beteiligung der Bundeswehr am Kampf gegen den Terror. Es gebe eindeutige Hinweise, so Hanning, dass diese wahrgenommen würde. Tatsächlich hatte der arabische Fernsehsender al-Dschasira bereits am 8. Oktober eine Aufnahme des Bin-Laden-Stellvertreters al-Sawahiri ausgestrahlt, in der dieser erklärte, es seien „Botschaften“ an Washingtons Alliierte, insbesondere an Deutschland und Frankreich, ergangen. Wenn die Dosis nicht ausreiche, sei al-Qaida bereit, sie „zu erhöhen“. Spätestens damit wurde deutlich, dass die Hoffnung, Deutschland sei in erster Linie „Ruheraum“ für Terroristen, trügerisch gewesen war. Morgen veranstaltet der BND in seiner Zentrale im Münchner Vorort Pullach ein Symposium zu islamistischen Bewegungen. Unter dem Motto „Globalisierung + Islamismus = Kampf der Kulturen“ diskutieren westliche Islamwissenschaftler mit afganischen, pakistanischen und jordanischen Experten.

Doch auch das Bundeskriminalamt ist in erhöhter Alarmbereitschaft. Nach Informationen des Spiegel geht das BKA davon aus, dass sich das Risiko seit dem Anschlag auf der indonesischen Insel Bali „erheblich erhöht“ habe. In Kreisen von deutschen Sicherheitsexperten ist man sich sicher, dass sowohl der Bali-Anschlag als auch das Attentat auf der tunesischen Ferieninsel Djerba als Kampfansage gegen westliche Staaten zu werten sind. In Djerba waren im April 16 Menschen, darunter 11 Deutsche, gestorben. Darüber, dass al-Qaida verantwortlich zeichnet, bestehen kaum Zweifel.

Vor deutschen Gerichten sind mehrere Verfahren gegen mutmaßliche islamistische Terroristen anhängig. In Hamburg läuft der Prozess gegen den mutmaßlichen Mittäter der Anschläge vom 11. September, Mounir al-Motassadeq. In Frankfurt wird gegen vier Algerier ermittelt, die einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von Straßburg geplant haben sollen. Außerdem sitzen noch sechs von neun Mitgliedern der Ende April ausgehobenen islamistisch-palästinesischen Gruppe al-Tawhid in Haft. Ein direkter Bezug zu al-Qaida konnte bisher allerdings keiner der Gruppen gerichtstauglich nachgewiesen werden.

JEANNETTE GODDAR